Die irische Signora
Koffer das Haus verließ.
»Ich bringe dich nach Hause, Schatz«, sagte er zu ihr. Und sie weinte sich an seiner Schulter aus, wie sie es vor nicht allzu langer Zeit bei ihrem Vater getan hatte.
Fiona ging all das noch stundenlang im Kopf herum. Grania war nur ein Jahr älter als sie. Wie brachte sie es nur fertig, ihren Eltern dermaßen die Stirn zu bieten? Verglichen mit den Dramen in Granias Leben waren die von Fiona kaum der Rede wert. Sie mußte jetzt dafür sorgen, daß sie sich irgendwie wieder in Barrys Leben einklinken konnte.
Sie würde sich etwas überlegen, wenn sie morgen früh zur Arbeit ging.
Wenn man im Krankenhaus arbeitete, konnte man oft kurz vor Ladenschluß die Blumen, die schon nicht mehr ganz frisch waren, im Blumenladen billiger haben. Fiona kaufte einen kleinen Strauß Freesien und schrieb dazu auf eine Karte: »Gute Besserung, Nessa Healy«. Als gerade niemand hinsah, stellte sie den Strauß vor das Schwesternzimmer der Station. Dann eilte sie in ihre Cafeteria zurück.
Die nächsten zwei Tage traf sie Barry nicht, aber als er dann kam, sah er recht fröhlich aus. »Es geht ihr viel besser, sie kommt Ende der Woche heim«, verkündete er.
»Oh, das freut mich … ist sie darüber hinweggekommen, was immer es auch war?«
»Nun, weißt du, es war wegen meinem Vater. Sie denkt – oder vielmehr, sie
dachte
–, er würde sie nicht besuchen kommen. Er sagte, er wolle sich von diesen Selbstmordversuchen nicht erpressen lassen. Und zunächst war sie sehr deprimiert.«
»Aber jetzt nicht mehr?«
»Nein, anscheinend hat er nachgegeben. Er hat ihr Blumen geschickt, einen Strauß Freesien. Also weiß sie jetzt, daß sie ihm etwas bedeutet, und kommt wieder nach Hause.«
Fiona überlief es kalt. »Ist er denn nicht selbst gekommen … mit den Blumen?«
»Nein, er hat sie nur auf der Station abgegeben und ist dann wieder gegangen. Aber es hat trotzdem funktioniert.«
»Und was sagt er zu alledem, dein Vater?« fragte Fiona mit dünner Stimme.
»Ach, er behauptet steif und fest, er habe ihr keine Blumen geschickt, aber so ist das immer bei meinen Eltern.« Dabei schaute er ein wenig bekümmert drein.
»Eltern sind immer ziemlich komisch, darüber habe ich mich erst neulich mit meiner Freundin unterhalten. Man hat keine Ahnung, was eigentlich in ihren Köpfen vorgeht«, meinte sie mitfühlend.
»Wenn sie sich zu Hause wieder eingelebt hat, gehen wir dann noch mal aus?« fragte er.
»Sehr gern«, antwortete Fiona. Bitte, lieber Gott, mach, daß sie das mit den Blumen nicht herausfinden, daß sie einfach darüber hinweggehen und sich mit der Erklärung zufriedengeben, der Vater hätte sie geschickt!
Barry nahm sie zu einem Fußballspiel mit. Ehe sie hingingen, sagte er ihr, wer die Guten und wer die Bösen waren, er erklärte ihr die Abseits-Regeln und meinte, der Schiedsrichter habe bereits bei einigen früheren Spielen bewiesen, daß er blind wie ein Maulwurf sei. Man könne nur hoffen, daß seine Sehstörung inzwischen behoben sei.
Während des Spiels traf Barry einen dunklen, untersetzten Mann. »Grüß dich, Luigi, ich wußte gar nicht, daß du auch ein Anhänger dieser Mannschaft bist.«
Luigi freute sich außerordentlich, ihn zu sehen. »Bartolomeo, altes Haus! Für diese Jungs bin ich schon, seit ich denken kann.«
Dann wechselten sie beide ins Italienische,
mi piace giocare a calcio
. Darüber lachten sie sich halb tot, und Fiona stimmte in ihr Gelächter ein.
»Das heißt: Ich spiele gern Fußball«, erklärte Luigi.
Das hatte sich Fiona schon gedacht, aber sie tat, als wäre ihr das neu. »Anscheinend macht ihr alle ziemliche Fortschritte mit dem Italienischen.«
»Ach, entschuldige, Luigi, das ist meine Freundin Fiona«, stellte Barry sie vor.
»Hast du ein Glück, daß deine Freundin mit dir ins Stadion geht. Suzi sagt immer, da würde sie lieber zugucken, wie Farbe trocknet.«
Fiona überlegte, ob sie diesen merkwürdigen Mann mit dem Dubliner Akzent und dem italienischen Namen darüber aufklären sollte, daß sie strenggenommen nicht Barrys Freundin war. Doch sie entschied sich dagegen. Und warum sprach er Barry eigentlich mit diesem seltsamen Namen an?
»Wenn du nachher Suzi triffst, könnten wir doch alle zusammen was trinken gehen«, schlug Barry vor. Luigi meinte, das sei die beste Idee seit langem, und sie verabredeten sich in einem Pub.
Während des ganzen Spiels war Fiona sehr bemüht zu verstehen, was auf dem Platz vor sich ging, damit sie
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