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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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wäre es gewesen, wenn sie nur dieses eine Mal zu den anderen Leuten hätte sagen können: Das ist meine Schwester, das ist meine Mutter. Aber nein.
    »Sie sehen wirklich großartig aus, Nora. Sie selbst, meine ich, nicht nur die ganze Umgebung.«
    Noch nie zuvor hatte er sie Nora genannt. Doch sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, weil die Gäste eintrafen. An der Tür stand eine Freundin von Constanza, eine äußerst tüchtige Frau namens Vera, und kontrollierte die Eintrittskarten.
    An der Garderobe waren die junge Caterina und ihre aufgeweckte Freundin Harriet damit beschäftigt, den Gästen Garderobenzettel auszuhändigen und sie darauf hinzuweisen, daß sie diese nicht verlieren sollten. Unterdessen strömten immer mehr Leute herein und bestaunten den Raum.
    Der Schuldirektor, Tony O’Brien, gab sämtliche Komplimente weiter. »Ich fürchte, damit habe ich nichts zu tun. Das ist alles Mr. Dunne, dem Leiter des Projekts, und der Signora zu verdanken.«
    Die beiden standen da wie ein Brautpaar, das Glückwünsche entgegennimmt.
    Als Fiona sah, wie Grania und Brigid mit ihrer Mutter hereinkamen, verschlug es ihr den Atem. Sie hatte Mrs. Dunne ja schon oft gesehen, doch an diesem Abend war sie kaum wiederzuerkennen. Die Frau sah aus wie ein völliges Wrack. Sie hatte sich wohl nicht einmal die Mühe gemacht, sich das Gesicht zu waschen.
    Gut, dachte Fiona grimmig. Sie empfand ein beklemmendes Gefühl in der Brust, so als wäre ihr etwas im Hals steckengeblieben, etwa ein Bissen von einer sehr harten Kartoffel oder ein Stück roher Sellerie. Und sie wußte, daß es Angst war. Fiona, das graue Mäuschen mit der Brille, würde jetzt anderen Leuten kräftig ins Handwerk pfuschen. Sie würde nun einigen Leuten einen Sack voll Lügen aufbinden und ihnen einen gehörigen Schrecken einjagen. Brachte sie das fertig, oder würde sie vorher ohnmächtig zu Boden sinken und alles noch schlimmer machen?
    Selbstverständlich würde sie es schaffen. Sie dachte an jenen Abend im Stadthaus zurück, als der alte Mann weggegangen war und Grania Essen vom Chinesen geholt hatte. Von da an hatte Fiona ihre ganze Persönlichkeit verändert, und war es etwa nicht zum Besten gewesen? Sie hatte Nessa Healy aus eigener Kraft dazu gebracht, sich hübsch zu machen und zu dieser Party zu gehen. So etwas schaffte keine graue Maus. Sie war schon so weit gegangen, daß sie auch diese letzte Hürde nehmen mußte. Sie mußte diese Affäre, die allen nur Leid brachte, aus der Welt schaffen. Erst wenn ihr das gelungen war, konnte sie sich wieder um ihr eigenes Leben kümmern und sich auf ihre eigene Liebesbeziehung richtig einlassen.
    Fiona sah sich um und versuchte, ein zuversichtliches Lächeln aufzusetzen. Sie wollte noch ein bißchen warten, bis die Stimmung etwas gelöster war.
    Doch das ging im Nu. Stimmengewirr und das Klirren von Gläsern erfüllten den Raum, und dann kam die Band. Als sie mit Sechziger-Jahre-Hits loslegte, die alle Altersgruppen ansprachen, begannen die ersten Leute zu tanzen.
    Da steuerte Fiona auf Nell Dunne zu, die ganz allein und mit ärgerlicher Miene dastand. »Kennen Sie mich noch, Mrs. Dunne?«
    »Ach, Fiona?« meinte sie lustlos, nachdem sie sich anscheinend nur mit Mühe auf den Namen hatte besinnen können.
    »Ja, Sie waren früher immer so nett zu mir, Mrs. Dunne, das weiß ich noch.«
    »Ach ja?«
    »Ja, wenn ich bei Ihnen zum Tee war. Und ich will nicht, daß Sie sich zum Narren machen lassen.«
    »Wieso lasse ich mich zum Narren machen?«
    »Dan, der Mann da drüben.«
    » WAS ?« Nell blickte in die Richtung, in die Fiona deutete.
    »Wissen Sie, er erzählt überall herum, was seine Frau für eine Vogelscheuche ist, daß sie ständig Selbstmordversuche begeht und er es bei ihr kaum noch aushält. Dabei hat er ein ganzes Sortiment von Frauen, und jeder erzählt er das gleiche.«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Und Sie sind wahrscheinlich … lassen Sie mich überlegen … die Frau für Mittwoch und noch einen anderen Tag. So hat er das nämlich alles ausgetüftelt.«
    Nell Dunne betrachtete die elegante, fröhlich lachende Frau an Dan Healys Seite. Das konnte nicht die Ehefrau sein, von der er gesprochen hatte. »Und wieso bildest du dir ein, du wüßtest irgendwas darüber?« fragte Nell Dunne Fiona.
    »Ganz einfach«, erwiderte Fiona, »weil er auch was mit meiner Mutter hatte. Er holte sie immer mit seinem Lieferwagen von der Arbeit ab. Sie war völlig vernarrt in ihn, es war

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