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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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wie sie gesagt hatte. Maria war zwar mit einem Mann verheiratet, der sie – und ihre Familie – nicht verdient hatte, aber dafür ließ man den Burschen Tag und Nacht im Vista del Monte schuften. Und wenn die Leute darüber klatschten, dann höchstens ein paar Tage lang.
    Der zweite Sohn, der Tunichtgut, ging nach New York, und schon bald hörte man, was für ein Prachtkerl er doch sei. Er arbeitete in der Trattoria seines Cousins und sparte jeden Cent, um eines Tages zurück nach Sizilien kommen und sich dort ein eigenes Restaurant kaufen zu können.
     
    Das Fenster der Signora auf den Platz hinaus war nachts immer einen Spaltbreit geöffnet, und so hörte sie als eine der ersten, wie die Brüder von Gabriella, jetzt stämmige Männer mittleren Alters, aufgeregt aus ihren Autos sprangen. Zuerst weckten sie den
dottore
, hämmerten gegen seine Tür. Die Signora stand im Schatten ihres Fensterladens und beobachtete die Szene. Es hatte einen Unfall gegeben, soviel stand fest.
    Sie spähte angestrengt hinaus, um zu erkennen, was geschehen war. Bitte, lieber Gott, laß es keins ihrer Kinder sein. In dieser Familie gab es schon genug Probleme.
    Und dann sah sie, wie Gabriellas untersetzte Gestalt auf die Schwelle trat, in einem Nachtgewand und nur mit einem Tuch über den Schultern. Sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, ihre Schreie gellten durch die Nacht.
    » MARIO , MARIO  …«
    Die Klage hallte in den Bergen um Annunziata wider, in allen Tälern erklang ihr Echo.
    Und sie erfüllte auch das Schlafzimmer der Signora, der eine eisige Hand ans Herz faßte, als sie mit ansah, wie man den Körper aus dem Wagen hob.
    Sie wußte nicht, wie lange sie so schreckensstarr dagestanden hatte. Doch als die Familie, die Nachbarn und Freunde auf den mondbeschienenen Platz strömten, war sie eine von ihnen, und Tränen liefen ihr über die Wangen. Sein Gesicht war blutig und zerschrammt. Er war von einem nahe gelegenen Dorf nach Hause gefahren und hatte eine Kurve verfehlt. Der Wagen hatte sich viele Male überschlagen.
    Sie wußte, daß sie ihm übers Gesicht streicheln mußte. Nichts würde je wieder gut werden auf der Welt, wenn sie ihn nicht berührte und küßte, wie seine Schwestern, seine Kinder und seine Frau es taten. Ohne darauf zu achten, ob jemand sie beobachtete, ging sie auf ihn zu. All die Jahre der Heimlichtuerei und des Versteckspiels waren wie ausgelöscht.
    Doch als sie schon fast bei ihm war, fühlte sie, wie Hände nach ihr faßten, verschiedene Menschen in der Menge hielten sie entschlossen zurück: Signora Leone, ihre Freunde von der Töpferei, Paolo und Gianna, und – so merkwürdig es ihr im nachhinein auch schien – zwei Brüder von Gabriella. Sie drängten sie zurück, dorthin, wo die neugierigen Einwohner von Annunziata ihren unverhüllten Schmerz nicht sehen konnten. So blieb ein Ereignis ungeschehen, das die Dorfgeschichte um ein weiteres erstaunliches Kapitel bereichert hätte: wie die
Signora irlandese
zusammengebrochen war und in aller Öffentlichkeit ihre Liebe für den Mann gestanden hatte, der das Hotel führte.
    Diese Nacht verbrachte sie in Häusern, in denen sie noch nie gewesen war; die Menschen flößten ihr starken Branntwein ein, einer streichelte ihr die Hand. Sie hörte das Wehklagen und die Gebete draußen, und manchmal erhob sie sich, um hinauszugehen und ihren rechtmäßigen Platz neben seinem Leichnam einzunehmen. Aber stets wurde sie sanft zurückgehalten.
    Am Tag seiner Beerdigung saß sie blaß und still an ihrem Fenster; als sie seinen Sarg aus dem Hotel heraus und über den Platz in die freskengeschmückte Kirche trugen, senkte sie das Haupt. Heute gab die Glocke nur einen einzigen, klagenden Laut von sich. Und niemand blickte zu ihrem Fenster hinauf. Niemand sah, wie ihr die Tränen über das Gesicht rannen und auf die Stickarbeit in ihrem Schoß tropften.
    Danach glaubten alle, sie würde nun fortgehen; man fand, jetzt sei es für sie an der Zeit, nach Hause zurückzukehren.
    Jeden Tag wurde ihr das ein bißchen klarer. So sagte Signora Leone: »Bevor Sie zurückfahren, müssen Sie unbedingt noch mit mir an der großen Karfreitagsprozession in meiner Heimatstadt Trápani teilnehmen … damit Sie den Menschen in Irland alles darüber erzählen können.«
    Und Paolo und Gianna gaben ihr einen großen Teller, ein Abschiedsgeschenk. »Wenn du die Früchte, die in Irland wachsen, darauflegst, wird dich der Teller an die Zeit in Annunziata erinnern.« Alle schienen

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