Die irische Signora
werde arbeiten und mir meinen Lebensunterhalt verdienen müssen. Brauchst du nicht jemanden zum Kartoffelschälen oder zum Putzen?«
Dezent gab Brenda ihrer Freundin zu verstehen, daß sich das nicht rechnen würde. Dafür gab es Lehrlinge. Damals waren sie auch in der Lehre gewesen, vor all den Jahren … bevor sich alles geändert hatte.
»Und außerdem bist du zu alt für solche Arbeiten, Nora, und zu gut ausgebildet. Du kannst tausend andere Dinge tun, im Büro arbeiten, Italienisch unterrichten …«
»Nein,
dazu
bin ich zu alt, das ist das Problem. Ich kenne mich ja noch nicht einmal mit einer Schreibmaschine aus, geschweige denn mit einem Computer. Und ich habe keine offizielle Lehrbefähigung oder wie das heißt.«
»Am besten gehst du erst mal stempeln.« Brenda dachte immer praktisch.
»Stempeln?«
»Ja. Du meldest dich arbeitslos, dann bekommst du Sozialhilfe.«
»Das kann ich nicht tun, denn das steht mir nicht zu.«
»Doch, natürlich. Du bist Irin, oder nicht?«
»Aber ich habe so lange im Ausland gelebt. Ich habe hier nichts einbezahlt«, beharrte die Signora.
Brenda musterte sie besorgt. »Du kannst hier nicht das Leben einer Mutter Teresa führen. Die Welt ist hart, da mußt du sehen, wo du bleibst, und nehmen, was du kriegen kannst.«
»Mach dir keine Sorgen um mich, Brenda. Ich bin eine Überlebenskünstlerin. Sieh doch nur, was ich beinahe ein Vierteljahrhundert lang durchgestanden habe. Das hätten die meisten Menschen nicht geschafft. Und ich habe nur ein paar Stunden nach meiner Ankunft hier in Dublin eine Unterkunft gefunden. Da werde ich auch Arbeit finden.«
Die Signora wurde in die Küche geführt, damit sie Pillow Case begrüßen konnte. Nur mit Schwierigkeiten gelang es ihr, ihn Patrick zu nennen. Höflich und ernst hieß er sie in der Heimat willkommen und sprach ihr sein Beileid zum Tod ihres Gatten aus. Glaubte er wirklich, daß sie mit Mario verheiratet gewesen war, oder tat er in Gegenwart der Lehrlinge nur so, um den Schein zu wahren?
Herzlich bedankte sich die Signora für das ausgezeichnete Essen und versprach, einmal auf eigene Kosten wieder hier zu speisen.
»Wir haben demnächst eine italienische Woche. Vielleicht könntest du für uns die Speisekarte übersetzen?« schlug Patrick vor.
»Aber gern.« Die Miene der Signora hellte sich auf. Damit würde sie sich für eine Mahlzeit erkenntlich zeigen können, die mehr gekostet hatte, als sie vermutlich in zwei Wochen verdienen würde.
»Wir würden dich ganz offiziell damit beauftragen, gegen Honorar und so«, bekräftigte Patrick. Wie waren die Brennans nur so weltgewandt geworden, daß sie es schafften, ihr Geld anzubieten, ohne es wie ein Almosen wirken zu lassen?
Die Signora fühlte sich neu gestärkt. »Darüber reden wir, wenn es soweit ist. Aber ich möchte euch jetzt nicht länger aufhalten. Nächste Woche komme ich wieder vorbei und erzähle euch von meinen Fortschritten.« Schnell und ohne große Abschiedszeremonie war sie verschwunden. Das hatte sie in den langen Jahren in ihrem Dorf gelernt. Die Menschen mochten einen lieber, wenn man nicht ewig blieb, wenn sie sich darauf verlassen konnten, daß eine Unterhaltung auch ein Ende hatte.
Dann kaufte sie Teebeutel und Kekse und zur Krönung eine hübsche Seife.
Doch als sie sich in mehreren Restaurants nach Arbeit in der Küche erkundigte, wurde sie überall höflich abgewiesen. Auch als sie sich im Supermarkt erbot, Regale einzuräumen, und in einem Zeitungskiosk fragte, ob sie nicht die Zeitungen und Zeitschriften auspacken und einsortieren könnte, erntete sie nur verwunderte Blicke. Hin und wieder fragte man sie, warum sie nicht zum Arbeitsamt ginge. Ihr verständnisloser Blick bestätigte die Menschen in ihrer Ansicht, daß diese Frau wohl ein bißchen einfältig war.
Aber die Signora gab nicht auf. Bis fünf Uhr suchte sie unermüdlich nach Arbeit. Dann nahm sie einen Bus, der zur neuen Adresse ihrer Mutter fuhr. Dort lagen die Häuser mitten im Grünen, Blumenbeete, Büsche und Grasflächen formten eine Landschaft, wie es so schön hieß. Eine Menge Türen waren nicht nur über Stufen, sondern auch über Rampen zugänglich, die Häuser in zweckmäßiger Bauweise den Bedürfnissen der Senioren angepaßt. Mit den alten Bäumen und Büschen, die die roten Backsteingebäude umgaben, wirkte das Anwesen gediegen, ja vertrauenerweckend und höchst ansprechend für Menschen, die ihre Häuser verkauft hatten, um hier ihren Lebensabend zu
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