Die irische Signora
Schwester.
»Ich hab gedacht, du würdest Ken heiraten«, meinte Kathy.
»Tja, hab ich aber nicht. Und nun ist er nach Amerika gegangen und somit passé.« Frans Antwort klang sehr entschieden.
Ken hatte ebenfalls im Supermarkt gearbeitet und war sehr ehrgeizig. Mam und Dad hatten immer gesagt, er und Fran würden den Laden bestimmt auf Vordermann bringen. Aber Kathy war sehr erleichtert gewesen, als Ken von der Bildfläche verschwand.
Zum Elternsprechtag im Sommer konnte Kathys Vater nicht gehen. Er müsse an diesem Abend lange arbeiten, sagte er.
»Ach, bitte, Dad. Die Lehrer möchten, daß jemand von den Eltern kommt. Mam wird nicht hingehen, das tut sie ja nie. Und du müßtest gar nicht viel machen, nur zuhören und ihnen sagen, daß alles in Ordnung ist.«
»Herrgott, Kathy, ich kann Schulen nicht ausstehen. Ich fühle mich dort völlig fehl am Platz.«
»Aber Dad, es ist ja nicht so, daß ich irgendwas angestellt hätte und die Lehrer über mich schimpfen. Sie sollen einfach nur den Eindruck haben, daß ihr an schulischen Dingen Anteil nehmt.«
»Das tun wir auch, mein Kind, doch, doch … aber deine Mutter ist in letzter Zeit nicht auf der Höhe, es würde eher schaden als nützen, wenn sie hingehen würde. Und du weißt ja, wie die über das Rauchen denken, das macht sie nur fertig … vielleicht sollte Fran wieder hingehen. Sie kennt sich sowieso besser aus als wir.«
Also ging Fran und sprach mit den erschöpften Lehrern, die eine Unmenge elterlicher Beichten hören mußten und jedem ein paar aufmunternde Worte und eine kleine Warnung mit auf den Weg gaben.
»Sie ist zu verkrampft«, bekam Fran zu hören. »Sie lernt zu verbissen. Wahrscheinlich wäre sie aufnahmefähiger, wenn sie sich mehr entspannen könnte.«
»Aber sie ist ganz eifrig bei der Sache, wirklich«, wandte Fran ein. »Ich setze mich immer zu ihr, wenn sie ihre Hausaufgaben macht, und sie erledigt sie stets gewissenhaft.«
»Sie spielt aber nicht viel, oder?« Der angehende Schuldirektor war ein netter Mann. Anscheinend kannte er die Kinder jedoch nur flüchtig und sprach eher allgemein. Fran fragte sich, ob er sich wirklich an all seine Schüler erinnerte oder einfach nur ins Blaue hinein redete.
»Nein, das will sie nicht, weil sie dann zu wenig Zeit zum Lernen hätte, wissen Sie.«
»Vielleicht sollte sie das aber tun«, stellte der Mann nüchtern, aber nicht unfreundlich fest.
»Ich finde, sie sollte Latein abwählen«, meinte der freundliche Mr. Dunne.
Fran erschrak. »Aber Mr. Dunne, sie gibt sich solche Mühe. Ich selbst habe es nie gelernt und versuche mitzukommen, wenn wir zusammen die Lektionen durchsehen. Sie befaßt sich wirklich stundenlang damit.«
»Aber sehen Sie, sie versteht nicht, worum es eigentlich geht.« Der arme Mr. Dunne bemühte sich sehr, sie nicht zu kränken.
»Vielleicht sollte ich mich darum kümmern, daß sie ein paar Nachhilfestunden bekommt? Es wäre großartig für sie, wenn sie in ihrem Abschlußzeugnis Latein vorweisen könnte. Wenn man ein solches Fach belegt hat, stehen einem so viele Möglichkeiten offen.«
»Möglicherweise schafft sie aber nicht den Notenschnitt für die Hochschule.« Es klang, als wolle er ihr das möglichst schonend beibringen.
»Aber sie muß es schaffen! Keiner von uns hat es soweit gebracht. Wenigstens sie muß eine gute Ausgangsposition haben.«
»Sie haben doch eine recht gute Stelle, Miss Clarke, ich sehe Sie immer im Supermarkt. Könnten Sie Kathy nicht dort unterbringen?«
»Kathy wird niemals im Supermarkt arbeiten!« Frans Augen blitzten.
»Entschuldigen Sie«, meinte Mr. Dunne leise.
»Nein, ich habe mich zu entschuldigen. Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie sich so viele Gedanken machen. Bitte verzeihen Sie, daß ich so laut geworden bin. Geben Sie mir einfach einen Rat, was das Beste für sie wäre.«
»Sie sollte sich mit etwas beschäftigen, was ihr Spaß macht, ohne Leistungsdruck«, sagte Mr. Dunne. »Ein Musikinstrument – hat sie dafür einmal Interesse gezeigt?«
»Nein.« Fran schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen. Wir sind alle hoffnungslos unmusikalisch, sogar mein Bruder, der für eine Popgruppe arbeitet.«
»Und Malen?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Das würde sie ebenfalls zu verbissen angehen. Ständig würde sie sich fragen, ob sie es auch richtig macht.« Mit diesem netten Mr. Dunne zu reden war angenehm. Sicher fiel es ihm nicht leicht, wenn er Eltern oder anderen Angehörigen sagen mußte, daß
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