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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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ihr Kind für ein Hochschulstudium nicht intelligent genug war. Vielleicht hatte er selbst Kinder, die auf die Universität gingen, und wollte, daß andere dieselbe Chance bekamen. Und er sorgte sich so liebenswürdig darum, wie aus Kathy ein glücklicherer und weniger verkrampfter Mensch werden könnte. Es tat Fran leid, daß sie alle seine Vorschläge gleich verwarf. Der Mann meinte es nur gut. Als Lehrer mußte er ja wohl auch viel Geduld haben.
    Aidan betrachtete das hübsche, schmale Gesicht dieser jungen Frau, der am Wohl ihrer Schwester soviel mehr gelegen war als den Eltern. Nur mit Mühe brachte er es über sich zu sagen, ein Kind sei schwer von Begriff, weil er sich im Grunde mitschuldig fühlte. Jedesmal dachte er dann, daß es möglicherweise weit weniger begriffsstutzige Schüler geben würde, wenn die Schule kleiner und besser ausgestattet gewesen wäre und wenn es größere Bibliotheken und zusätzliche Fördermaßnahmen gegeben hätte. Darüber hatte er auch mit der Signora gesprochen, als sie das Konzept für den Italienischunterricht ausgearbeitet hatten. Sie meinte, es hinge größtenteils mit den Erwartungen der Leute zusammen. Nach der Einführung des offenen Bildungssystems würde es mindestens eine Generation dauern, bis die Menschen von dem Glauben abkamen, daß man ihnen ja doch nur überall Steine in den Weg legte.
    In Italien sei es genauso gewesen, erzählte sie. Sie habe miterlebt, wie die Kinder eines Hotelbesitzers in einem kleinen, ärmlichen Ort aufgewachsen seien. Und sie sei allein dagestanden mit der Ansicht, die Kinder sollten in der kleinen Dorfschule mehr lernen als damals ihre Eltern. Also hatte sie ihnen gerade genug Englisch beibringen können, daß sie die Touristen begrüßen und als Kellner oder Zimmermädchen arbeiten konnten. Dabei hatte sie sich so gewünscht, sie würden im Leben weiterkommen. Die Signora verstand gut, was Aidan seinen Schützlingen im Mountainview College bieten wollte.
    Mit ihr konnte man sich ganz zwanglos unterhalten. Während sie den Abendkurs planten, plauderten sie oft bei einer Tasse Kaffee. Sie war eine angenehme Gesellschafterin, belästigte ihn nicht mit Fragen über sein Zuhause und seine Familie und erzählte selbst nur wenig von ihrem Leben im Haus dieses Jerry Sullivan. Aidan hatte ihr sogar von dem Arbeitszimmer erzählt, das er sich gerade einrichtete.
    »Mein Herz hängt nicht an Besitztümern«, meinte die Signora. »Aber ein hübsches, ruhiges Zimmer mit viel Sonnenlicht und einem soliden Schreibtisch, all die Erinnerungen, die man so hat, die Bücher, die Bilder an der Wand … das wäre in der Tat sehr schön.« Es hörte sich an, als sei sie eine Zigeunerin oder eine Stadtstreicherin, deren Herz niemals an so herrlichen Dingen hängen würde, die sie anderen aber durchaus gönnte.
    Er würde ihr von Kathy Clarke erzählen, diesem Mädchen, das immer so verkniffen dreinschaute und sich furchtbar anstrengte, weil ihre Schwester so große Hoffnungen in sie setzte und sie für blitzgescheit hielt. Die Signora kam oft auf gute Ideen, vielleicht auch in diesem Fall.
    Doch nun verscheuchte er die Erinnerungen an diese angenehmen Unterhaltungen und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. Vor ihm lag noch ein langer Abend. »Ihnen wird bestimmt etwas einfallen, Miss Clarke.« Mr. Dunne spähte hinaus zu der Schlange von Eltern, die noch ziemlich lang war.
    »Ich bin Ihnen und all Ihren Kollegen hier sehr dankbar.« Frans Worte klangen aufrichtig. »Sie nehmen sich wirklich Zeit und machen sich Gedanken über die Kinder. Früher, zu meiner Schulzeit, war das anders. Aber vielleicht ist das auch nur eine meiner Ausreden«, schloß sie mit ernstem Gesicht. Die junge Kathy Clarke konnte sich glücklich schätzen, so eine fürsorgliche Schwester zu haben.
    Die Hände in den Taschen vergraben, ging Fran mit gesenktem Kopf zur Bushaltestelle. Als sie auf dem Weg an einem Nebengebäude vorbeikam, bemerkte sie einen Aushang, der für einen Italienischkurs im nächsten September warb. Ein Einführungskurs, der einem die Malerei, die Musik und die Sprache Italiens näherbringen wollte. Und über all dem Lernen, hieß es, werde der Spaß nicht zu kurz kommen. Das könnte vielleicht das Richtige sein, überlegte Fran. Doch es war zu teuer. Sie hatte ja jetzt schon so viele Ausgaben. Die Teilnahmegebühr, die man für ein halbes Jahr im voraus bezahlen mußte, konnte sie sich kaum leisten. Und was, wenn Kathy das Ganze mit allzu großer

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