Die irische Signora
beide?«
»Warum nicht? Ich wollte schon immer mal nach Italien, und wenn ich die Sprache beherrsche, habe ich viel bessere Chancen, mir einen Italiener zu angeln!«
»Aber ist das denn was für mich?«
»Na klar. Das ist ein Kurs für Dummköpfe wie mich, die nie was gelernt haben, und du wirst wahrscheinlich die Beste von allen sein. Aber in erster Linie soll es Spaß machen. Den Kurs leitet eine Frau. Sie wird uns Opern vorspielen und Bilder zeigen und mit uns italienisch kochen. Das wird klasse.«
»Ist das nicht sehr teuer, Fran?«
»Nein, und außerdem bringt es uns ja auch was«, antwortete Fran und fragte sich, wie sie eigentlich dazu kam, so etwas zu behaupten.
Im Sommer ließ Ken sich in einer Kleinstadt im Staat New York nieder, von wo aus er Fran nun wieder schrieb. »Ich liebe Dich und werde Dich immer lieben. Die Sache mit Kathy verstehe ich durchaus, aber könntest Du nicht trotzdem kommen? Wir könnten sie ja in den Ferien zu uns holen, und Du könntest ihr Unterricht geben. Bitte sag ja, bevor ich mir eine kleine Dienstwohnung nehme. Wenn du ja sagst, kaufe ich uns ein Häuschen. Sie ist sechzehn, Fran, ich kann nicht noch vier Jahre auf Dich warten.«
Fran weinte, als sie den Brief las, doch sie konnte Kathy jetzt nicht allein lassen. Es war immer ihr Traum gewesen, daß eines Tages jemand von den Clarkes zur Universität ging. Sicher, Ken sagte, wenn sie erst einmal selbst Kinder hätten, würden sie deren Zukunft von vornherein so planen, daß ihnen später alle erdenklichen Möglichkeiten offenstanden. Aber Ken verstand das nicht. Sie hatte zuviel in Kathy investiert. Das Mädchen war kein Genie, aber sie war auch nicht dumm. Wäre sie als Kind reicher Eltern geboren worden, hätte sie all die Vorteile, die es einem leichter machten, in die Wiege gelegt bekommen. Sie würde an einer Hochschule studieren können, einfach deshalb, weil man sich immer genügend Zeit für sie nahm, weil Bücher im Haus waren, weil alle es als selbstverständlich erachteten. Fran hatte bei Kathy Hoffnungen geweckt. Deshalb konnte sie jetzt nicht weggehen und sie bei ihren Eltern zurücklassen – ihrer Mutter, die die meiste Zeit an Spielautomaten verbrachte, und ihrem Vater, der es zwar gut meinte, aber nicht weiter dachte als bis zum nächsten Schwarzarbeitsjob, mit dem er seine bescheidenen Ansprüche befriedigen konnte.
Ohne sie wäre Kathy verloren.
Es war ein warmer Sommer, die Touristen strömten noch zahlreicher als sonst nach Irland. Im Supermarkt wurden spezielle Lunchpakete für Picknicks im Park angeboten. Das war Frans Idee gewesen, und sie erwies sich als großer Erfolg.
Mr. Burke von der Fleischtheke war zunächst skeptisch gewesen. »Ich möchte ja nicht auf meine jahrzehntelange Berufserfahrung pochen, Miss Clarke, aber ich halte wirklich nichts davon, den Speck aufzuschneiden, anzubraten und dann kalt auf die Sandwiches zu legen. Würden Brote mit einem feinen mageren Schinken, wie wir sie sonst verkaufen, nicht besser ankommen?«
»Das ist der Geschmack der Zeit, Mr. Burke. Die Leute wollen knusprig gebratenen Speck haben. Und wenn wir den kleingeschnittenen Speck schön warm halten und die Sandwiches erst bei Bedarf belegen, dann verspreche ich Ihnen, daß die Kunden gar nicht genug davon kriegen können.«
»Aber wenn ich ihn schneide und anbrate und ihn keiner kauft, was dann, Miss Clarke?« Mr. Burke war ein ganz reizender Mensch, der es jedem recht zu machen versuchte, aber vor allen Veränderungen zurückschreckte.
»Probieren wir es drei Wochen lang aus, dann sehen wir weiter«, meinte Fran.
Und sie sollte recht behalten. Die köstlichen Sandwiches fanden reißenden Absatz. Natürlich zahlte der Supermarkt dabei drauf, aber das machte nichts: Hatte man die Kunden erst einmal in den Laden gelockt, kauften sie bei der Gelegenheit auch noch andere Waren.
Fran besuchte mit Kathy das Museum of Modern Art, und an ihrem freien Tag nahmen sie an einer dreistündigen Busrundfahrt durch Dublin teil. Nur damit wir unsere Heimatstadt besser kennenlernen, hatte Fran gesagt. Es gefiel ihnen sehr – sie sahen die beiden protestantischen Kathedralen, in denen sie noch nie gewesen waren, fuhren um den Phoenix Park und betrachteten voller Stolz die georgianischen Türen mit den fächerförmigen Oberlichten, auf die man sie aufmerksam machte.
»Stell dir vor, wir sind die einzigen Iren im Bus«, flüsterte Kathy. »Das ist
unsere
Stadt, die anderen sind nur Besucher.«
Mit sanftem
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