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Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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Druck konnte Fran die Sechzehnjährige auch zum Kauf eines schicken gelben Baumwollkleides und einer neuen Frisur überreden. Am Ende des Sommers war sie ein sonnengebräuntes, attraktives Mädchen, und ihr gequälter Gesichtsausdruck war verschwunden.
    Wie Fran feststellte, hatte Kathy durchaus Freundinnen. Allerdings waren es keine kichernden Busenfreundinnen, wie Fran sie in ihrer Jugend gehabt hatte, die eine Ewigkeit zurückzuliegen schien. Manche dieser Mädchen gingen samstags in eine laute Disco, von der ihr einer der Burschen aus der Arbeit erzählt hatte.
    Nach allem, was sie gehört hatte, mußte es ein zwielichtiger Schuppen sein, wo ganz offen mit Drogen gehandelt wurde. Um ein Uhr nachts tauchte Fran immer »zufällig« dort auf, um ihre Schwester abzuholen. Sie bat Barry, einen jungen Lieferwagenfahrer des Supermarkts, an den fraglichen Samstagen bei ihr vorbeizukommen und sie zu dieser Disco zu fahren. Er hatte gemeint, da sollte ein junges Mädchen lieber nicht hingehen.
    »Was soll ich machen?« erwiderte Fran achselzuckend. »Wenn ich es ihr verbiete, fühlt sie sich bevormundet. Ich glaube, ich kann schon froh sein, daß ich durch Sie einen Vorwand habe, sie dann gleich nach Hause zu bringen.« Barry war ein prima Bursche, der auf Überstunden ganz versessen war, weil er sich ein Motorrad kaufen wollte. Jetzt habe er das erste Drittel dafür zusammengespart, meinte er, sobald er die Hälfte hätte, würde er es sich aussuchen gehen. Und wenn er zwei Drittel hätte, würde er es kaufen und den Rest in Raten abbezahlen.
    »Und warum wollen Sie ein Motorrad haben, Barry?« fragte Fran.
    »Es ist ein Stück Freiheit, Miss Clarke«, antwortete er. »Wissen Sie, es ist ein tolles Gefühl, wenn einem der Fahrtwind um die Ohren pfeift und so.«
    Fran fühlte sich plötzlich sehr alt. »Meine Schwester und ich wollen Italienisch lernen«, erzählte sie ihm, als sie eines Abends wieder vor der Discothek warteten und der Kauf des heißersehnten Motorrades allmählich in greifbare Nähe rückte.
    »Ah, das ist toll, Miss Clarke. Das würde ich auch gern. Ich war während der Fußballweltmeisterschaft dort und habe wirklich großartige Leute kennengelernt, die nettesten Menschen, die man sich nur vorstellen kann, Miss Clarke. Manchmal denke ich mir, daß wir ganz ähnlich wären, wenn wir dieses Klima hätten.«
    »Sie könnten doch auch Italienisch lernen«, erwiderte Fran geistesabwesend. Sie beobachtete gerade, wie einige übel aussehende Typen aus der Disco kamen. Warum gingen Kathy und ihre Freundinnen ausgerechnet hierher? Heute hatten die Sechzehnjährigen viel mehr Freiheiten als zu Frans Zeit; sie hätte nie in so ein Lokal gehen dürfen.
    »Vielleicht tue ich das auch, sobald ich das Motorrad abbezahlt habe. Weil ich nämlich als erstes damit nach Italien fahren werde«, verkündete Barry.
    »Nun, der Kurs findet am Mountainview College statt und fängt im September an.« Sie redete etwas zerstreut, weil sie gerade Kathy, Harriet und deren Freundinnen erspäht hatte. Als sie auf die Hupe drückte, schauten sofort alle herüber. Sie waren es schon gewöhnt, jeden Samstag eine Mitfahrgelegenheit nach Hause zu bekommen. Was war eigentlich mit den Eltern all dieser Mädchen? Kümmerte es sie nicht, wo sich ihre Töchter herumtrieben? Oder war sie nur übertrieben ängstlich? Gott, aber ihr würde ein Stein vom Herzen fallen, wenn die Schule wieder anfing und mit diesen Nachtschwärmereien Schluß war.
     
    Der Italienischkurs begann an einem Dienstag um sieben Uhr. Am Vormittag hatte Fran wieder einen Brief von Ken erhalten. Nun habe er sich in seiner kleinen Wohnung eingerichtet. Der Wareneinkauf laufe hier übrigens völlig anders ab, man feilschte nicht mit den Lieferanten, sondern zahlte einfach, was sie verlangten. Die Leute seien sehr nett, sie luden ihn oft zu sich nach Hause ein. Labour Day* stand vor der Tür, dann würde man den Sommer mit einem Picknick ausklingen lassen. Er habe Sehnsucht nach ihr, schrieb Ken. Ob sie ihn auch vermisse?
    Dreißig Leute nahmen an dem Kurs teil. Alle bekamen ein großes Stück Pappe, auf das sie ihren Namen schreiben sollten, aber die Kursleiterin – eine ganz fabelhafte Person – meinte, sie sollten einander mit den italienischen Versionen ihrer Namen ansprechen. So wurde aus Fran
Francesca
und aus Kathy
Caterina
. Es war lustig, einander mit Handschlag zu begrüßen und nach dem Namen zu fragen. Offenbar fühlte sich Kathy hier außerordentlich wohl.

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