Die irische Signora
mißtrauisch.
»Na ja, ich mußte Sie doch irgendwie anreden. Und da ich Ihren Namen nicht wußte, habe ich mir den ausgedacht.«
»Ist das vielleicht irgendein blöder Scherz?« Der Mann schien ausgesprochen schlecht gelaunt.
»Nein, nein, es ist wegen Robin Hood, Sie wissen doch, der damals …« Lou verstummte. Er wollte nicht über die Männer in den Wäldern von Nottingham sprechen, sonst glaubte Robin noch, daß er sich über ihn lustig machen wollte; und auch das Wort ›Räuberbande‹ erwähnte er wohl besser nicht. Warum bloß hatte er ihn überhaupt mit diesem Namen angesprochen?
»Solange es nichts damit zu tun hat, daß man Leuten was wegnimmt …«
»Um Himmels willen, nein. Keine Spur!« sagte Lou, als sei ein solcher Gedanke völlig abwegig.
»Na, dann.« Robin schien besänftigt.
»Wie heißen Sie denn richtig?«
»Ach, Robin tut’s schon, nachdem jetzt klar ist, wie’s gemeint ist.«
»In Ordnung.«
»Und, Lou? Wie stehen die Aktien?«
»Nicht besonders. Ich hab in einem Lagerhaus gearbeitet, aber da gab es eine dämliche Regelung wegen dem Rauchen.«
»Verstehe. Überall dasselbe«, nickte Robin verständnisvoll. Er kannte die Geschichte von dem Jungen, der seine erste Stelle bereits nach einer Woche wieder los war. Wahrscheinlich war es auch seine eigene.
»Hier, schau, da gibt’s was«, meinte er und deutete auf eine Anzeige, die eine Putzstelle in einem Kino anbot.
Lou schüttelte den Kopf. »Das ist doch was für Mädchen«.
»Heutzutage schwer zu sagen. Steht nichts davon bei.«
»Jedenfalls ’ne ziemlich blöde Arbeit.« Lou war gekränkt, daß Robin so wenig von ihm hielt und glaubte, daß er sich mit einem solchen Idiotenjob zufriedengeben würde.
»Könnte ihre Vorteile haben.« Dabei sah Robin unbestimmt in die Ferne.
»Wie das?«
»Man könnte abends die Tür offenlassen.«
»Wie, Nacht für Nacht? Das würden die doch merken.«
»Nicht, wenn der Riegel nur ein bißchen zurückgeschoben ist.«
»Wozu?«
»Nun, dann könnten Leute rein und raus, und das vielleicht ’ne Woche lang.«
»Und dann?«
»Na ja, derjenige, der die Putzstelle hat, müßte noch ein paar Tage weiter saubermachen, nach ein, zwei Wochen könnte er dann kündigen. Und würde feststellen, daß man ihm sehr dankbar ist.«
Vor Aufregung verschlug es Lou fast den Atem. Es war passiert. Endlich hatte Robin ihn in seine Gang aufgenommen. Ohne ein weiteres Wort ging Lou zum Schalter und füllte das Formular für die Putzstelle aus.
»Wie konntest du nur so eine Stellung annehmen?« fragte ihn sein Vater.
»Na, einer muß es ja tun«, gab Lou achselzuckend zurück.
Er säuberte die Sitze und sammelte den Abfall ein. Auch die Toiletten putzte er, den Graffiti dort rückte er mit Scheuerpulver zu Leibe. Und jeden Abend schob er den Riegel an der großen Hintertür ein Stückchen zurück. Robin hatte ihm nicht einmal sagen müssen, welche Tür er gemeint hatte. Es war ganz offensichtlich, daß man nur dort ungesehen hereinkam.
Der Geschäftsführer war ein kleiner, hektischer Mann, der Lou ständig erzählte, wie schlecht die Welt heutzutage doch sei. Kein Vergleich mit früher, als er noch ein Junge war.
»Schon wahr«, nickte Lou, der sich ziemlich wortkarg gab. Er wollte nicht, daß man sich nach dem Vorfall zu gut an ihn erinnerte.
Es geschah vier Tage später. Diebe waren eingebrochen, hatten den kleinen eingebauten Safe geknackt und waren mit den Tageseinnahmen verschwunden. Anscheinend hatten sie einen Riegel durchgesägt. Sie mußten durch einen Türspalt herangekommen sein. Als die Polizei fragte, ob es vielleicht denkbar sei, daß die Tür gar nicht verschlossen gewesen war, bekam der kleine, hektische Geschäftsführer – der sich in seinem Urteil über die Schlechtigkeit der Welt bestätigt fühlte – beinahe einen Nervenzusammenbruch und beteuerte, dieser Gedanke sei absolut lächerlich. Er mache jeden Abend seine Runde, und warum hätten sie bei einer offenen Tür denn die Mühe auf sich nehmen sollen, den Riegel durchzusägen? Lou wurde klar, daß dies zu seinem Schutz geschehen war. So fiel kein Verdacht auf den neuen Putzmann.
Danach blieb er noch zwei Wochen in dem Kino und kontrollierte jeden Abend sorgfältig den neuen Riegel, damit niemand Verdacht schöpfte. Dann erzählte er dem Geschäftsführer, daß er eine bessere Arbeit gefunden habe.
»Du warst ein tüchtiger Junge, besser als die meisten, die wir hier hatten«, meinte der Geschäftsführer, was Lou doch
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