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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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ist mit der ... Wirklichkeit ? Billy kommt zu dem Schluss, dass der Krieg ihn zum Konvertiten gemacht hat, er gehört jetzt felsenfest zur Kirche des Eben-so-Seienden, so lasset uns denn beten, meine lieben amerikanischen Mitbürger, folget mir im Gebet. Wir wollen beten für die vielen Tausend von uns Gegangenen und für all jene, die ihnen noch folgen werden. Wir wollen beten für Lake und seine Stümpfe. Beten für A-borts Bordgeschütz, möge es bei keinem Gefecht je klemmen. Beten für Cheney, Bush und Rumsfeld, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist und sämtliche Engel vom Oberkommando und vom Vereinigten Generalstab. Beten, dass es wirklich um Öl geht. Beten für gut gepanzerte Humvees. Beten für Shroom, der im Himmel das ewigeLeben hat oder auch nicht, der jedenfalls hienieden auf unserem Planeten definitiv scheißtot ist.
    Billy setzt sich auf. Anscheinend ist er gerade weggetreten. Er reckt den Hals, will die Seitenlinie absuchen, da müsste Faison sein, aber sein Blickwinkel ist zu klein. Ein paar Minuten lang versucht er, sich aufs Spiel zu konzentrieren, aber es läuft zu langsam, wie ein Fahrstuhl, der auf jeder Etage hält. Im Grunde soll man sowieso nicht auf das eigentliche Spiel gucken, nein, guckt alle schön auf die Riesenleinwand, da laufen nicht nur das Spiel in Echtzeit und die Replays, sondern auch die ewigen Pausenfüller, die Werbespots, ein Stausee zur sensorischen Überflutung, weitaus contentgesättigter als das Spiel selbst. Ist Werbung womöglich sowieso die Hauptsache? Sind die Spielzüge vielleicht bloß Werbespots für die Werbung? Die Erwartungen an die Spiele sind jedenfalls immer viel zu hoch. Die sind doch geradezu hünenhaft überfrachtet, die ganzen Werbedollars, die Riesengehälter, die enormen Kosten für die Anlage selbst und die Infrastruktur, man kann sie ja unter der massiven Last geradezu ächzen hören, allein bei der Vorstellung dreht Billy fast durch, die irre Unverhältnismäßigkeit schickt kleine Stiche in seine Gedärme, ähnlich dem anfänglichen mulmigen Ziehen vor dem totalen Kollaps. Er denkt zurück an Den Moment in dem Equipment-Depot, wo er fast begraben worden war von diesen Tonnen von Ausrüstung, dazu hatte sie dieser Ennis nach Spielreporterart in Grund und Boden gequasselt mit seinem Geblubber über Größen-Formen-Farben-Modelle-Mengen und sonst was, und alles in eine Zehn-Minuten-Tirade gequetscht, in einen einzigen Atemzug , so war es Billy vorgekommen, er kann jetzt noch spüren, wie sich sein Brustkorb zuschnürt.
    Seiner Meinung nach hat Ennis eine Macke, aber wer würde bei so einem Inventar im Kopf nicht durchdrehen. Billy hat manchmal so Visionen, kurze Blicke wie durchs Visier auf einenAlbtraum des Überüberflusses namens Amerika, und das Armyleben im Allgemeinen und der Krieg im Besonderen haben ihm zusätzlich noch eine akute Empfindlichkeit gegenüber Quantitäten beschert. Dahinter steckt kein Hokuspokus, auch keine höhere Mathematik. Der Krieg selbst ist das Reich des dumpf Quantitativen in höchster Reinkultur. Wer produziert die größtmögliche Menge Tod? Dafür braucht man keine Infinitesimalrechnung, oh nein, hier geht’s bloß um die blöde alte Grundarithmetik, um statistische Korrelationen von Feuerkraft in Minuten, verminderten Aktiva, Toten und Verwundeten in Exceltabellen. Mit solchen Messlatten wird das Militär der Vereinigten Staaten zur schönsten Streitmacht der Weltgeschichte. Als Billy das zum ersten Mal in Großaufnahme am eigenen Leib demonstriert bekommen hatte, hatte ihn eine Art Schock gepackt oder vielleicht das Entsetzen, das zu diesem viel beschworenen shock and awe dazugehörte. Sie waren von irgendwo oben beschossen worden, schludrig, sporadisch, aus Kleinfeuerwaffen, die aber eben auch töten können. Endlich hatten sie die Quelle in einem dreistöckigen Wohnhaus weiter hinten auf der Straße lokalisiert. In den Fenstern stehen Blumentöpfe, darunter hängt Wäsche. »Gib’s frei«, hatte Captain Tripp dem Lieutenant gefunkt, also gibt der Lieutenant das Feuer frei, zwei Schuss 155 mm High-Explosive gehen ab, und das ganze Haus, nein, der halbe Block kracht zusammen, wumm , Problem gelöst, aufgelöst in einer Wolke aus Flammen und Rauch. Scheiß auf das ganze präzisionsgesteuerte Medienhuren-Hightech-Zeug, es gibt nur eine erfolgreiche Art von Invasion, man bombardiert das ganze Land in die Hölle.
    »Komm, wir vertreten uns die Beine«, murmelt Billy zu Mango, und sofort stürmen sie die Treppe

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