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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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Gründer einer der größten Megakirchen in Amerika, hatte bei der Kundgebung im Anaheim Convention Center das Bittgebet für das Bravo-Team gesprochen. In einem Moment der – Schwäche? Verblödung? – hatte Billy ihn danach wegen einer dringlichen Beratung aufgesucht. Etwas an dem Bittgebet hatte nach Wirklichkeit geklungen, und Billy hatte sich, während die anderen Bravos Autogramme gaben und für Fotos posierten, mit Pastor Rick hinter der Bühne zusammengesetzt und über Shrooms Tod unterhalten. Shroom, wie er dagelegen hatte, verwundet. Shroom, wie er sich aufgesetzt hatte. Shroom, wie er in Billys Schoß zusammengesackt war, wie sich seine Augen dann quasi auf ihn eingeschossen hatten, so zwingend, mit einer so dringlichen Botschaft, dann diese Überblendung, und seine Seele war ausgetreten, wumm , als wäre die Lebenskraft eine extrem flüchtige Substanz, der Inhalt eines Hochdruckspeichers.
    »Als er gestorben ist, wollte ich irgendwie auch sterben.« Aber so stimmte es nicht ganz. »Als er gestorben ist, hatte ich das Gefühl, ich bin auch gestorben.« Aber das stimmte auch noch nicht. »Das war irgendwie so, als ob die ganze Welt gestorben ist.« Noch schwieriger war es, diese Ahnung zu beschreiben, dass Shrooms Tod ihn womöglich ein für allemal zerstört hatte, weil, als er gestorben ist? Als ich gefühlt hab, wie seine Seele durch mich durchgeht? Da, in dem Moment, hab ich ihn so sehr geliebt, ich glaube,so eine Liebe kann ich nie wieder für jemanden aufbringen . Und wozu soll man heiraten, Kinder kriegen, eine Familie gründen, wenn man schon weiß, dass man seine ganz tiefe Liebe gar nicht mehr geben kann?
    Billy hatte geweint. Sie hatten gebetet. Billy hatte ein bisschen weitergeweint. Danach hatte er sich ein paar Stunden lang besser gefühlt, aber als der Tag in den Abend übergegangen und der Schmerz wieder hochgesickert war, hatte er nichts finden können, das seinem Gemüt Halt geben konnte. Was hatte der Pastor eigentlich gesagt ? Billy konnte sich nur noch erinnern, wie es geklungen hatte, hauchfein diddelnd und bimmelnd wie Easy-Listening-Jazz. Ein paar Anrufe im Nachgang hatten auch nichts Brauchbares hergegeben, aber dieser Pastor Rick lässt immer noch nicht locker. Dauernd ruft er an und schickt SMS und E-Mails und Links. Billy ist klar, was für Pastor Rick dabei rausspringt; die »seelsorgerische Beziehung« zu einem Soldaten im Fronteinsatz ist cool für einen Pfarrer, die macht ihn glaubwürdig und beweist stilsicher sein Engagement bei aktuellen Themen. Billy kann förmlich hören, wie der gute Hirte seiner Sonntagsmorgenhomilie einen Kickstart mit einem Stück von Billys Seele verpasst. »Jüngst hatte ich Kontakt zu einem unserer famosen jungen Soldaten, der im Irak dient, und wir haben diskutiert blablabla ...«
    Billy antwortet Kathryn und löscht Pastor Rick. Mango rechts neben ihm kriegt einfach keine Ruhe. Er beugt sich vor, schnellt zurück, späht nach links und rechts, fährt herum und guckt hektisch nach hinten.
    »Verdammt noch mal«, sagt Billy, »sitz still. Du regst mich auf.«
    »Dann reg dich einfach ab.«
    »Suchst du was?«
    »Ja, deine Mama.«
    »Lass den Scheiß, deine Mama . Meine Mama ist eine Nonne.«
    Mango lacht und lehnt sich zurück. Er guckt auf die Stadionuhr und stöhnt auf. Geehrt zu werden, fühlt sich ein bisschen sehr nach Arbeit an, erst recht hier auf den Gangsitzen, an der Schnittstelle von Bravos und Bürgern. Ja, Sir, danke, Sir. Ja, Ma’m, fühlen uns pudelwohl hier, absolut. Billy reicht Programmhefte durch die Reihe, damit alle sie signieren können, und bis die wieder da sind, muss er Konversation machen. Die Lage bessert sich doch, finden Sie nicht? Hat sich doch gelohnt, finden Sie nicht? Wir konnten doch gar nicht anders, finden Sie nicht? Er wünscht sich, dass wenigstens ein Mal jemand Babymörder zu ihm sagt, aber hier scheint kein Mensch auf die Idee zu kommen, dass auch Babys getötet worden sind. Stattdessen plaudern sie von Demokratie und Entwicklung und Massn’nichts’affn . Sie möchten so furchtbar gern glauben, dass er ihnen das bieten kann, sie sind inbrünstig wie Kinder, die darauf beharren, dass es den Weihnachtsmann wirklich gibt, denn wenn man nicht fest daran glaubt, dann, na ja, kommt er vielleicht nicht mehr?
    Und an was glauben Sie ? Billy fragt sich das selbst eigentlich nie, er hat eher das Gefühl, dass ihm die Frage aufgedrängt wird. Haha, also, schön. Jesus? Irgendwie. Buddha? Hm. Die Fahne? Klar. Was

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