Die irre Heldentour des Billy Lynn
cool.«
»Bestimmt?«
Dime nickt.
»Er hat gesagt, wir brauchen nicht ...?«
»Mit ziemlich wenig Worten.« Ein paar Schritte lang schweigt Dime. »Billy, hast du gewusst, dass General Ruthven aus Youngstown, Ohio, stammt?«
»Äh, nein, woher.«
»Ich auch nicht, bis eben gerade.« Einen Moment lang scheint Dime in Gedanken zu versinken. »Das liegt gleich hinter der Grenze zu Pennsylvania.«
Billy überlegt, ob sein Sergeant den Verstand verloren hat. »Dicht bei Pittsburgh«, fährt Dime fort. »Er ist ein großer Steelers-Fan. Steelers , Billy, hallo? Das heißt per definitionem, er hasst die Cowboys bis aufs Blut.«
»Heh, Leute!«, ruft jemand. Sie drehen sich um. Josh kommt auf sie zugetrabt. »Wo wollt ihr denn hin?«
»Zurück auf unsern Platz«, sagt Billy.
Josh wird einen Augenblick langsamer und guckt sich um, dann beschleunigt er wieder. »Wartet doch mal, ich komme mit.«Er hat einen Stapel braune Mappen unter einem Arm, mit der anderen Hand fasst er in seine Jackentasche. Etwas Weißes blitzt auf.
»Billy«, ruft er und schwenkt eine kleine Plastikflasche. »Ich hab die Tabletten.«
Der stolze Abschied
WAS SOLL ÜBERHAUPT NOCH EIN FILM? Der ganze Ärger darum kommt ihm sinnlos vor, das Original schwappt doch längst durchs Netz, kann jeder sehen, man muss bloß »Al-Ansakar-Kanal« eingeben oder »Bravo Snuff Movie« oder »Amerikas pochender Pimmel der Gerechtigkeit« oder eine von Zigdutzend solchen Phrasen, schon kriegt man Links zu dem Fox-News-Filmchen, drei Minuten und vierzig Sekunden High-Intensity-Krieg aus der verwackelten Sie-sind-mittendrin-Perspektive inklusive Gefechtslärm und untermalt von einem Klangbrei aus keuchendem Atem und überblendeten Kraftausdrücken des tollkühnen Kamerateams. Das ist alles so wirklich, dass es aussieht wie Fake – zu viel Show, zu viel Hype und Filmkunst, der dreiste oder defensive Flirt eines B-Pictures an der entsprechenden Grenze zum Kitsch. Ob das wirklich noch was bringt, das Ganze aufzupolieren – ein bisschen Handlungsbogen einzuziehen, einen guten Schuss Figurenentwicklung, kunstvoll gesetztes Licht und verschiedene Kamerawinkel beizumischen, dazu einen Soundtrack, der die emotionalen Saiten anzupft. Es wirkt dochanscheinend nichts so wirklich wie Fake, obwohl es für Billy, seit er die Aufnahmen gesehen hat, ein Rätsel ist, dass die völlig anders aussehen als alle Gefechte, in denen er je war. Insofern sieht Wirkliches gleich doppelt nach Fake aus, das Wirkliche, das so wirklich aussieht, dass es wie Fake aussieht, und das Wirkliche, das überhaupt nicht wie Wirkliches, sondern wie Fake aussieht, also braucht man vielleicht doch Hollywoods geballte Kunst- und Trickfertigkeit, um es wieder wirklich zu kriegen.
Umgekehrt heißt es überall ständig, wie spielfilmartig die Fox-Aufnahmen seien. Wie Rambo , heißt es. Oder First Blood. Oder Independence Day . Oder wie die kesse, geschwätzige Blondine Mitte zwanzig sagt, die sich gerade mit ihrem Mann und noch einem jungen Paar in Reihe 6 gesetzt hat: »Das war wie noch mal Nina Leven. Ich hab dagesessen und Nachrichten geguckt und hatte plötzlich das total unheimliche Gefühl, da seh ich’n Spielfilm im Kabelfernsehen.«
»Ihr Jungs seid der Hammer«, sagt ihr Mann, ein gut aussehender Bulle in Patagonia-Parka, seine Cowboystiefel sind feines altes Handwerk. »War’n verdammt gutes Gefühl zu sehen, dass wir denen das endlich mal’n bisschen heimzahlen.«
Das andere junge Paar gibt das emotionale Echo. Die beiden jungen Paare sind nicht viel älter als Billy, sie sind von den oberen Rängen zugewandert, um kurz vorm Kehraus die teuren Plätze zu testen. Sie erinnern ihn an manche Kinder, mit denen er zur Schule gegangen ist, Söhne und Töchter der Kleinstadt-Countryclub-Elite, schon damals fest vertäut auf Collegeschienen, und jetzt sind sie Mitte zwanzig, ordnungsgemäß qualifiziert und verheiratet, beim Start in ein Erwachsenenleben nach Plan. Die jungen Paare wollen unbedingt diesen texanischen Bravo kennenlernen, wissen aber einen Moment lang nicht, was sie mit dem leibhaftigen Billy anfangen sollen. Dann ruft eine der Frauen aus: »Sie sind ja noch ein Kind!«, und damit ist das Eis gebrochen, siestellen sich vor und bedanken sich, die beiden jungen Gattinnen liebevoll bebend, die Gatten mit kumpelhaftem Händeschütteln, das ihm fast den Arm auskugelt.
»Wahnsinn«, sagen sie, »hervorragend«, »eine Ehre, Sie kennenzulernen« und so weiter, in Billys Hirn klackern
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