Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
Vom Netzwerk:
in der Kuppel erst Energie ansaugen müsste, an Kraft und Masse. In den Tribünenaufgängen bleiben die Leute stehen und drehensich um. Hinter den Bravos springen die Fans von den Sitzen hoch, Startschuss für eine Standing Ovation in Zeitlupe, die in einer schwerkraftzersetzenden Welle durch den ganzen Tribünenblock rollt. Kurz danach wieder ein Schnitt, auf dem Jumbobotron erscheint ein hyperaktiver Reklamespot für Chevy Trucks, aber zu spät, alle Welt ist schon auf dem Weg zu ihnen, jetzt hilft gar nichts mehr, es gibt kein Entkommen. Billy steht auf und nimmt die Haltung für solche Anlässe an: Rücken aufrecht, Gewicht in der Mitte austariert, reservierter und trotzdem höflicher Ausdruck im jungen Gesicht. Auf die Pose ist er mehr oder weniger instinktiv gekommen, mit dieser stoischen Anspannung, in Generationen von Film- und Fernsehstars als die amerikanische Männlichkeitsaura geprägt, kann er präsent sein, ohne groß nachdenken zu müssen. Man sagt ein paar Worte, man lächelt bei Gelegenheit. Man guckt aus leicht müden Augen. Man ist stets sanft und zurückhaltend gegenüber Frauen, Männer bekommen einen festen Blick und Händedruck. Billy weiß, so macht er eine gute Figur. Muss er wohl, denn die Leute fahren total darauf ab, geraten sogar ein bisschen aus dem Häuschen. Wirklich! Sie drängeln sich an ihn, sie schubsen und schieben, grabschen nach seinen Armen, sie reden viel zu laut, und manchmal furzen sie auch, so viel Schub sitzt hinter ihrer Aufgeregtheit. Billy staunt selbst nach zwei vollen Wochen öffentlicher Auftritte noch immer über diese öffentliche Reaktion, die heiseren bebenden Stimmen und das Amokgeschwätz, Kauderwelsch aus dem Mund ansonsten ganz ausgeglichen wirkender Bürger. Wir finden euch toll , gurren sie, atemlos wie beim Liebesakt. Wir lieben euch . Wir sind so dankbar. Wir halten zu euch und segnen euch. Wir beten, hoffen, ehren-achten-lieben-und-bewundern, und das stimmt, im Akt des Sprechens erleben sie die Macht ihrer Worte, all der Verbalarabesken, die in Billys Ohren zucken und beißen wie Mücken, wenn sie in eine elektrische Insektenfalle geraten.

    Niemand spuckt ihn an, niemand nennt ihn Babymörder. Im Gegenteil, die Leute stärken ihm auf das Freundlichste den Rücken, und trotzdem findet Billy solche Begegnungen unheimlichund beängstigend. Es steckt etwas Brutales in seinen amerikanischen Landsleuten, etwas Gieriges, Ekstatisches, ein Brennen auf etwas, das sie zutiefst brauchen. So empfindet er es, die brauchen alle etwas von ihm, die ganze Horde halbreicher Anwälte, Zahnärzte, Fußballmamas und Firmen-Vizes, die jiepern alle nach einem Happen von einem halberwachsenen Stoppelhoppser mit vierzehntausendachthundert Dollar Jahreseinkommen. Das ist allenfalls die Portokasse im Privatetat von solchen erwachsenen Bestverdienern, aber kaum geraten sie in sein persönliches Kraftfeld, ist der ganze Reichtum verpufft. Sie beben. Sie kriegen Schnappatmung und Mundgeruch. Ihre Augen zucken und zittern vor der Macht dieses Moments, denn hier vor ihnen steht der Krieg höchstpersönlich, in Großaufnahme und in Fleisch und Blut, hier ist endlich ein echter Berührungspunkt nach den langen Monaten und Jahren, in denen sie über den Krieg gelesen haben, den Krieg im Fernsehen gesehen haben, vom Krieg im Radio gehört haben, zu Quasselshows verhunzt und verhökert. Die Zeiten sind hart in Amerika – wie sind wir da nur hineingeraten? Immer diese Panik und immer dieses Schamgefühl wegen der Panik in so vielen langen dunklen Nächten voller Furcht und Schrecken, an so vielen Tagen voller Zweifel und Gerüchte, in all den Jahren, in denen man so vor sich hin lebte und die Angst allmählich verknöcherte. Man hörte und las und sah, dabei lag es doch so klar auf der Hand , was zu tun war, das wurde zur mantraartigen mentalen Marotte und schließlich zur zweiten Natur, je länger sich der Krieg hinzog. Die müssten doch bloß ... Mehr Soldaten da hinschicken. Härtere Kampfbefehle geben. Die Ausrüstung hochfahren und rein da mit voller Feuerkraft, Frontalangriff, alles plattmachen, keine Gefangenen. Überhaupt diese Iraker, müssten die uns nicht danken? Das muss denen mal einer beibringen, bringt ihr denen das bitte endlich mal bei? Oder wollen die vielleicht ihren Diktator wiederhaben? Wenn das nichtreicht, Bomben drauf. Mehr Bomben, größere Bomben. Zeigt diesen Leuten da den Zorn Gottes und paukt denen mal ordentliches Benehmen ein, und wenn das auch nicht wirkt,

Weitere Kostenlose Bücher