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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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stoßen, der ihm das Erlebte erklären kann oder wenigstens aufdröseln, das ganze Thema richtig einordnen. Es gab zwar Pastor Rick, dem hatte er sich in einem schwachen Moment auch offenbart, aber der Pastor hatte sich als egoistische Nervensäge entpuppt. Dime ist zu nah dran, außerdem braucht Billy eher jemanden mit einem stabilen erwachsenen Profil. Eine Weile hatte er gedacht, Albert könnte so jemand sein, ein Mann mit enormer Lebenserfahrung und imposanter Bildung, der auch ganz viel von ganz vielen Dingen zu verstehen scheint und die Sonne zum Auf- und Untergehen beschwatzen kann, aber in letzter Zeit hat Billy seine Zweifel. Nicht dass Albert kein Mitgefühl hätte – obwohl er einen manchmal so cool beäugt, als wäre man der Hamburger, in den er gleich beißt –, es ist mehr sein ironischer Blick auf alles und jeden, auch sich selbst. Albert hat seine eigene Lebensklugheit, muss er auch, wie jeder Mann von Welt, aber genau dieses durch und durch Weltliche macht ihn nur beschränkt tauglich für das, was Billy vor allem braucht.
    Bleibt Major Mac als bester greifbarer Kandidat, Major Mac, die Sphinx, der Zombie, das selten sprechende und niemals pinkelnde Gespenst, der Mann, der in vierzig Prozent der Zeit zu sechzig Prozent anwesend wirkt. Der Major Mac. Deshalb ist Billy äußerst frustriert, als er jetzt neben seinem Vorgesetzten durchdie Halle marschiert. Er wüsste gern, was damals in Ramallah los war. Hatte der Major da auch Leute verloren? Freunde? Hatte er die auch sterben sehen? Billy möchte sich wahnsinnig gern mit ihm zusammentun, von Herz zu Herz, von Mann zu Mann, von Krieger zu Krieger, er lechzt nach all dem nötigen, brutalen Wissen, dabei kriegt er mit Offizieren nicht mal Smalltalk hin, wie soll er da den Zugangscode zu diesem Major knacken, zu der Lücke, durch die man zu etwas derart Persönlichem und Wirklichem vordringt. Wie soll er das Eis bloß brechen? MANN, MAJOR, MEINE GÜTE, HIER GIBT’S HEINEKEN VOM FASS! Er sieht seine Felle davonschwimmen, denn jetzt dirigiert Josh alle in einen Seitengang und zu einer Rolltreppe mit Personenkontrolle. Ein paar verlegene Security-Bullen mit Schlips und Anzug werfen kurz einen Blick auf die Akkreditierungen und winken die Bravos durch. »Oh Mann, Himmelfahrt!«, kreischt Sykes, als sie nach oben gleiten, und kichert, als hätte er den Witz des Jahrhunderts gemacht. Billy stellt sich ranggemäß eine Stufe tiefer als der Major und gibt die Hoffnung auf. Er hat nicht den Mumm, er ist nicht dreist genug, außerdem hat der Major diesen Hörschaden und Billy das Gefühl, dass sich bei gewissen Themen keine Marktschreierlautstärke gehört. Tod, Trauer, das Schicksal der Seele, solche Dinge brauchen eine Umgebung für sachliche, nachdenkliche Töne, dabei darf man sich nicht gegenseitig anbrüllen, das führt zu nichts.
    Also sagt Billy nichts, was der Major natürlich nicht merkt. Sie kommen auf die sogenannte »Blue Star-Ebene«, und Josh dirigiert sie von der Rolltreppe zu einem Fahrstuhl mit dem Schild ZUTRITT NUR FÜR CLUBMITGLIEDER. Er zieht eine Karte durch einen kleinen Kontrollschlitz, die Tür geht auf, und alle steigen ein. Zusammen mit ihnen fahren zwei schick angezogene Paare hoch, vom Alter her könnten sie ihre Eltern sein, aber mit Geld lassen sich gut zehn Jahre locker übertünchen. Niemandnimmt Notiz von den anderen. Dann geht die Tür zu, und das Parfum der Damen ballt sich zu einem schrillen Zitrus-Moschus-Duft wie von rolligen Zitronenbäumen. Kaum hat der Lift Fahrt aufgenommen, rumort in Billys Darm ein dringendes Bedürfnis, Voralarm für einen monströsen Rektalrülpser. Er kneift mit aller Kraft den Arsch zusammen und versucht durchzuhalten. Ein fast unmerklicher Tremor geht durch das ganze Team, auch ein paar andere Bravos versteifen sich, treten von einem Fuß auf den anderen, ballen und lockern abwechselnd die Fäuste. Lieber Gott, bitte bitte, nicht hier, nicht jetzt. Alle beißen die Zähne zusammen und gucken stur geradeaus. Wieso wirken enge Räume eigentlich so zuverlässig stimulierend auf den Magen-Darm-Trakt von Frontsoldaten?
    Dann sagt Dime mit der Stahlstimme des geborenen Anführers: »Meine Herren.« Pause. »Daran wird nicht mal gedacht.«

Miteinander, füreinander
    BEIM ANMARSCH auf das pompöse Buffet faselt Sykes die ganze Zeit von »Brunch«, als ob ihn das zum Super-Metrosex-Hengst machen würde, bis Dime ihn schließlich anschnauzt: »Klappe, das heißt Lunch , Mann, oder Thanksgiving- Dinner ,

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