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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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Für’n Weichei gar nicht blöd, unser Josh. Sie haben einen großen runden Tisch an der Fensterfront und einen fantastischen Blick aufs Spielfeld, auf dem zurzeit aber nichts los ist. Dime genehmigt jedem ein Heineken zum Essen, eins , sagt er,sieht kurz zu Major Mac, und der nickt. Billy hat sich den Platz neben Dime und Albert gesichert, er will unbedingt hören, was sie reden. Er weiß, dass er viel zu wenig weiß. Dass er im Grunde gar nichts weiß, jedenfalls nichts Brauchbares, und brauchbar ist in dieser Phase seines Leben nur die Art Wissen, die das Hirn beruhigt und die Seele besänftigt. Deshalb sieht er immer zu, neben Dime zu sitzen, und Dime sitzt wie immer am Kopfende. Rechts von ihm sitzt Albert, dann A-Bort, Day, Lodis, Crack, Sykes, Major Mac, Mango und schließlich Billy. Mit ihm ist der Kreis geschlossen. Und die Gedecke für Shroom und Lake? Billy deckt in Gedanken immer für die beiden mit, es ist sein kleines Ritual am Anfang jeder gemeinsamen Mahlzeit, sein Ersatz fürs Beten. Er hat noch andere Rituale: nie mit dem linken Fuß zuerst über eine Schwelle treten. Und: Schutzweste immer von unten nach oben zumachen, nie einen Satz mit W anfangen, sechs Stunden vor einem Einsatz mit Onanieren aufhören. Auch an jenem Tag am Kanal hatte er sich an all solche Ticks und Talismane gehalten, also hat es vielleicht auch keinen Scheißdreck zu bedeuten, dass sie in Dallas ausgerechnet im W Hotel übernachten mussten und dass zu besagtem Hotel ein Edelclub mit dem sauschrägen Namen Geisterbar gehörte. So viele Omen, so viele Zeichen und Menetekel, die gelesen sein wollen. Es liegt am dauernden Zufall, dass man so was im Kopf hat, das Leben ist ein russisches Roulette, tagtäglich, jede Minute. Mörsergranaten fallen einfach vom Himmel, zufällig. Raketen, selbst gebaute Splittergranaten und Sprengfallen, alles zufällig. Einmal hatte Billy auf dem Beobachtungsturm Nachtwache geschoben und plötzlich dicht neben seinem Nasenrücken ein fieses kleines Plopp gehört, es war, wie ihm im Zurücktaumeln klar wurde, ein Geschoss, das im Vorbeirasen knackend die Schallmauer durchbrochen hatte. Ein paar Zentimeter neben ihm. Nicht mal. Bruchteile, Atome, alles war so zufällig, ob man in dieser Minute an die Pissrinne trat statt in dernächsten oder ein paar Sekunden schneller am Futter war oder sich in der Feldliege links- statt rechtsrum rollte oder an welcher Position im Konvoi man fuhr. Konvois waren überhaupt der Hit. Anfangs hatten die Aufständischen immer den Führungs-Humvee beschossen, dann verlegten sie sich auf Humvee Nummer zwei, dann ging es nach dem Würfelprinzip, Nummer zwei, drei oder vier, dann fixierten sie sich wieder auf Nummer eins, dazu dieses endlose hirnverschmorte Gewette im Humvee, auf welchem Sitz man wie gefährdet war, dabei konnte einem auf allen irgendwann irgendwo irgendwas passieren. »Einer Panzerfaust kann man ausweichen«, hatte Billy vor ein paar Tagen einem Reporter erzählt. Eigentlich wollte er etwas so Brisantes, so Intimes gar nicht erzählen, er fühlte sich mies hinterher, als hätte er ein beschämendes Familiengeheimnis ausgeplaudert, aber es war ihm nun mal rausgerutscht, einer Panzerfaust kann man ausweichen , das verdammte Mistding kam lahm auf einen zugeflattert, sprotzend und qualmend wie mexikanischer Feuerwerksramsch, tttttthhhhhhhpppppfffffftttt- FUUUM ! Eigentlich hatte er nur sagen wollen, zu sagen versucht, dass es wirklich so ist, dass manchmal tatsächlich alles in Zeitlupe abläuft, aber letzten Endes hatte er einfach nur klarmachen wollen, dass das Leben ziemlich seltsam und surreal sein kann. Jetzt denkt er manchmal, er hätte da auf dem Turm dem Geschoss einen Stupps geben können, so wie einem Luftballon, damit es sonst wohin abdreht, anstatt ihm nur auszuweichen und es vorbeisausen zu lassen, dahin, wo es dann so eine gottverdammte Scheiße hatte anrichten können. Nichts von dem, was hier im Augenblick abläuft – dass er diese Sachen isst, diese Gabel hält, dieses Glas hebt –, ist auch nur annähernd so wirklich, in diesen Tagen ist das Wirklichste auf der Welt das, was Billy im Kopf hat. Lake zum Beispiel. »Lake«, mehr braucht es nicht, und der trostlose kleine Film spult wieder ab, die Straße mit der Böschung, zum Beispiel, Nachtaufnahme, bleichesMondlicht, Grillengezirpe, schwaches Hundegebell von irgendwo fern, gemächliches Gegluckse und Gegurgel vom nahen Kanal. Anfangs nur diese Straße in einer ruhigen Nacht, dann eine

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