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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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langsame Kamerafahrt weg von der Straße, allmählicher Zoom auf eine Stelle im hohen Gras. Ein Bein. Zwei Beine. Von Lake. Friedlich. Die Grillen, das sanfte Mondlicht, der schnurrende Kanal. Langsam, wie aus tiefem Schlaf erwachend, fangen die Beine an sich zu regen. Bewegen sich, zuerst noch probeweise, mit einer kindlichen, rührend verdutzten Unschuld, dann richten sie sich auf, schütteln sich zurecht und machen sich auf die Suche nach dem übrigen Lake. Fast wie in einem Disneyfilm über aus Versehen zu Hause vergessene Kuscheltiere, genauso tapfer sind sie, so zutraulich und anhänglich, woher sollen sie denn wissen, dass sie von Anfang an die Arschkarte hatten, dass Lake längst zehntausend Kilometer und einen Ozean weit weg ist? Nicht gerade die passendsten Gedanken beim Essen, aber wenn diese Filmchen im Kopf erst mal losgehen –.
    »Billy!«, bellt Dime. »Du bist ja total weggetreten.«
    »Nein, Sergeant. Ich denke gerade über den Nachtisch nach.«
    »Ah, du denkst nach vorn, recht so. Hab meine Jungs ver dammt gut ausgebildet.«
    »Reinhauen können sie jedenfalls«, stellt Albert fest. »Heh. Jungs, macht langsam. Das Essen läuft nicht weg.«
    »Schon okay«, antwortet Dime. »Halt einfach Sicherheitsabstand zu ihren Mäulern, dann bleibst du unversehrt.«
    Albert lacht. Er hat nur einen gemischten Blattsalat und ein Sprudelwasser vor sich und das Glas mit der »Cowboyrita« daneben kaum angerührt. »Ihr werdet mir fehlen«, sagt er. »War ein Erlebnis, euch kennenzulernen, ihr seid famose junge Männer.«
    »Komm doch mit«, sagt Crack.
    »Ja, komm mit in’ Irak«, drängt A-bort. »Dann ha’m wir alle was zu lachen.«
    »Nein«, kontert Holliday. »Albert muss hierbleiben und uns alle reich machen, was, Albert?«
    »Das hab ich vor«, erwidert Albert ausgesucht sanft, und da , denkt Billy, da , an diesem leisen Aushauchen am Satzende kann man erkennen, wie fast unmerklich Ego und Energie erschlaffen, daran merkt man, dass ein absoluter Profi auf Triage-Modus schaltet. »Ich wär euch nur im Weg«, erklärt Albert, »außerdem bin ich so ziemlich der typische Pazifistentrottel. Wisst ihr was, ich hab damals bloß Jura studiert, damit ich nicht nach Vietnam muss, und eins kann ich euch sagen, hätten die mich nicht zurückgestellt, ich hätte noch am selben Abend im Bus nach Kanada gesessen.«
    »Waren die Sechziger«, stellt Crack fest.
    »Waren die Sechziger, ganz genau, und wir hatten damals bloß eins im Sinn, nämlich jede Menge Dope kiffen und jede Menge Puppen vögeln. Vietnam – also bitte! Soll ich mir vielleicht in irgend so’m stinkigen Reisfeld den Arsch wegballern lassen, bloß damit Nixon noch vier Jahre dranbleibt? Drauf geschissen, und ich war nicht der Einzige, der das so gesehen hat. Diese ganzen Kriegstreiber heute, die um Vietnam alle einen Bogen gemacht haben, ich meine, ich bin der Letzte, der das irgendwem zum Vorwurf macht. Bush, Cheney, Rove, die ganzen Typen haben auch bloß gemacht, was alle gemacht haben, und ich war genauso,’ne Memme wie alle. Ich find’s nur’n Problem, dass die jetzt alle so auf toughe Haudegen machen, mit ihrem ganzen Das-ziehen-wir-durch-Gewichse, also ehrlich, Himmel noch mal, ein bisschen mehr Demut, Leute. Die sollen einfach mit euerm jungen Leben genauso vorsichtig umgehen wie damals mit ihrem eigenen.«
    »Albert«, sagt Mango, »du musst Politiker werden. Werd du doch Präsident.«
    Albert lacht. »Eher sterb ich. Ist lieb gemeint, aber danke.« Der Produzent fühlt sich sichtlich wohl, ein lächelnder lieber Onkel,der keineswegs bloß auf dem Stuhl hängt, sondern ihn voll in Besitz nimmt und damit gegen den Sog der Schwerkraft so sicher gewappnet ist wie Jabba der Hutte auf seinem maßgeschneiderten Thron. »Was will’n so’n Arsch von uns ?«, hatte Crack gefragt, als Albert sich das erste Mal gemeldet und ein Schnell-Check im Internet ergeben hatte, dass er tatsächlich, wie er behauptet hatte, ein gestandener Hollywoodproduzent war, mit drei Oscars in den siebziger und achtziger Jahren, Kategorie bester Film, er hatte allerdings auch Fodie’s Press and Fold produziert, und der Film hatte das meiste Geld in der Geschichte von Warner Brothers verbrannt. »War der Ishtar in dem Jahr«, sagt Albert gern lachend, er nimmt den Flop als Ehrenmedaille, denn eine dermaßen legendäre Pleite kann nur einer aus der ersten Garde hinlegen, außerdem war ein paar Jahre später der dritte Oscar gekommen und Albert rehabilitiert. Seinen

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