Die irre Heldentour des Billy Lynn
und lacht, damit sie verstehen, dass das ein Witz sein soll. »Nee, im Ernst, man muss schon sagen, der Mann ist wohl komplett gaga, aber irgendwie hat das auch Räson, ist irgendwie’ne normale Reaktion auf die Situationen, in die der sich immer so bringt. Obwohl, warum macht jemand lauter so’n Schei-, Zeug wie er ... Der hätte garantiert was Interessantes über den Irak zu sagen, also wenn er da hinkäme, wenn er den so erleben könnte, wie wir Soldaten den erleben. Ich meine, ich will jetzt nicht seinen Lebensstil propagieren oder so was. Mir gefällt einfach, wie der schreibt.«
»Würden Sie sagen, dass die Soldaten da drüben viel auf Drogen sind?«
»Wär mir jetzt nicht bekannt. Ich bin erst neunzehn. Ich darf nicht mal Bier trinken!«
»Wählen und für Ihr Land sterben dürfen Sie, aber in eine Bar gehen und ein Bier bestellen dürfen Sie nicht.«
»So kann man’s wohl auch sagen.«
»Und wie finden Sie das?«
Billy denkt einen Augenblick nach. »Ist vermutlich besser so.«
Die Medienleute kommen auf ihre Idee mit einem Buch zu sprechen. Billy spürt plötzlich, dass etwas rechts von ihm Wärme abstrahlt, er guckt kurz zur Seite, und da steht sie, geduldig,direkt neben ihm. Sein Puls spurtet los wie eine Gazelle, oh Gott oh Gott oh Gott oh Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße, die Medienleute schwadronieren derweil über Marktchancen, Verträge, Agenten, Verlage und Gott weiß was. Er gibt ihnen seine E-Mail-Adresse, bloß damit sie ihn in Ruhe lassen, und als sie endlich weg sind, dreht er sich zu ihr. Sie sieht ihn lange fest an, deutlich erwartungsvoll. Irgendwoher hat er den Nerv, sie von oben bis unten anzusehen, aber nicht anzüglich-lungernd, eher wie ein Freund aus Kinderzeiten, der das kleine Mädchen aus der ersten Klasse mit den aufgeschlagenen Knien, den Nudelarmen und den Grasflecken, das er immer um den Spielplatz gescheucht hatte, in einer grandiosen Erwachsenenversion wiedertrifft.
»Du schreibst also ein Buch?«
» Nein «, platzt er heraus, und beide fangen an zu lachen. Plötzlich ist er fast gar nicht mehr nervös. »Friert ihr nicht, wenn ihr da draußen auftretet, in dem Outfit?«
»Wir sind so in Bewegung, dass das eigentlich meistens kein Problem ist, obwohl, letzte Woche in Green Bay, ich kann dir sagen, da dacht ich, ich frier mir meine Du-weißt-schon ab. Wir haben auch Jacken, wenn’s richtig kalt ist, aber draußen auf dem Spielfeld ziehen wir die fast nie an. Ach, übrigens, ich bin – «, hat sie fesselnd gesagt? Sie schiebt die Pompoms hoch und streckt ihm die Hand entgegen.
»Noch mal?«
Sie lacht. »Faison. Ich bin F-a-i-s-o-n. Und ich weiß auch, wer du bist, Billy Lynn aus Stovall. Meine Großmutter war 1937 Miss Stovall, was sagst du dazu?« Ihr Lachen klingt leicht, wie ein heiseres Trillern aus der Tiefe des Brustraums. »Alle sagen, sie hatte beste Chancen, in dem Jahr Miss Texas zu werden. Ein paar Geschäftsleute haben zusammengelegt und ihr die Garderobe und Sprechunterricht und die ganzen Reisekosten bezahlt, die wolltenunbedingt, dass sie’s wird, für die Stadt. Damals war schwer was los in Stovall, wegen dem ganzen Öl, was sie da aus dem Boden geholt haben.«
»Und wie ist es ausgegangen?«
Faison schüttelt den Kopf. »Dritter Platz. Jeder fand, sie hätte gewinnen müssen, aber das war alles abgekartet. Weißt ja, wie Misswahlen so ausgedealt werden.«
Billy nickt eifrig, ganz Connaisseur in Sachen Misswahlen. Im Moment haben sie Ruhe vor den Leuten.
»Heutzutage ist in Stovall nichts los, was man irgendwie schwer nennen könnte.«
»Hab ich auch gehört. War seit den Kindertagen nicht mehr da, aber als ich mitgekriegt hab, einer von den Bravos ist aus Stovall, da war ich gleich so, Heh, Stovall! Hab irgendwie das Gefühl gehabt, ich kenn dich, ich mein, Stovall , jetzt mal ernst, aus jeder andern Stadt, aber ausgerechnet aus dem Nest? Ich fand das zu komisch.«
Sie ist in Flower Mound aufgewachsen, erzählt sie, und jobbt stundenweise bei einer Anwaltskanzlei am Empfang, damit finanziert sie ihr Studium, nur noch sechs Scheine, dann hat sie ein Diplom der University of North Texas als Radio- und Fernsehjournalistin. Billy schätzt sie auf zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, ein kompaktes, kurvenreiches Bündel mit einer neugierig kecken Nase, bernstein- und goldgesprenkelten grünen Augen und einem Dekolleté von der Sorte, bei der Männer das Tröpfeln kriegen. Im Moment erzählt sie, dass sie ganz toll finde, was er bei der
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