Die irre Heldentour des Billy Lynn
aber Norm überhört sie. Billy ahnt allmählich die Dynamik hier, hier läuft ein Kräftemessen nach den Regeln eines Konzernbosses, der sozusagenvor dem Pinkelstein steht und aufmerksam dessen Überschwemmung durch seinen höchstpersönlichen Machtstrahl registriert. Norms Job ist die Wertmaximierung der Marke Cowboys, der Job der Medienmeute ist, jedes Tröpfchen PR-Sabber und -Schlabber, das er in ihre Richtung schickt, zu schlucken. Mit Gefühl, Vernunft und freiem Willen begabte Menschen nehmen eine derartige Behandlung natürlich übel; vielleicht erklärt das ihre sauertöpfischen Mienen und das karmisch Verschwitzte, das sie verströmen wie die Wäschekörbe in einem Fitnesscenter. Morgen beim Zeitunglesen wird Billy sich fragen, warum das nirgends miterzählt wird: dass die Presse sich zwar widerwillig, aber vorschriftgemäß eingefunden hatte, um Norms Bravo-Squad-Schau nach allen Regeln der Stenografie festzuhalten, dieses unverfrorene, phrasendreschende Marketingevent, das weder der Aufklärung noch irgendeiner Enthüllung dienen sollte, sondern dem einzig erkennbaren Zweck, die Marke Cowboys wieder mal im Bewusstsein zu vertäuen.
Gehört denn der alberne Teil nicht auch in den Artikel? Aber nein, kein Wort, nicht mal ein Raunen, kein Piep darüber, dass sie nach Strich und Faden benutzt worden sind, nicht die kleinste Andeutung, was sie selbst für Norm empfinden, nämlich, wie Billy aus ihrer Körpersprache ableitet, Groll und Angst zu etwa gleich großen Teilen. Wahrscheinlich könnte Norm, wenn er denn wollte, jeden von denen feuern lassen. Wahrscheinlich sogar töten, wenn er wollte. Nicht dass er das wollte. Wahrscheinlich. Billy entdeckt Mr Jones, er debattiert nicht weit von ihm mit mehreren anderen Anzugträgern die Aufstellung. Cowboys mit vier vorn? Oder’boys mit drei? Sie glucksen und schmunzeln, als ob sie sich gerade über die Bettkünste einer Frau austauschten, mit der sie alle fleischlichen Kontakt hatten, und Billy würde am liebsten hingehen und ihnen die Fresse einhauen. Er weiß nicht, warum er sich so angegriffen fühlt, aber er tut es, vielleicht ist esdie Knarre von diesem Mr Jones, was ihn so auf die Palme bringt, das Großkotzige daran, die Ignoranz, der schiere Scheiß- Egotrip , wegen dem jemand mit einem Instrument herumspaziert, das tödliche Kräfte hat. Soll ich Ihnen mal was sagen? Wollen Sie mal sehen, was tödliche Kräfte sind? Bravo kann Ihnen das zeigen, Bravo ist so tödlich, das können Sie sich gar nicht vorstellen, da fliegt Ihnen das Hirn weg, da wünschen Sie sich, Sie wären Ihrer Mutter nie aus der Spalte geflutscht.
Als die Fotografiererei vorbei ist, braucht Billy eine Auszeit. Er lehnt sich an die linke Wand, wo die Bühnenbespannung eine Innenkurve macht und ihn vom größten Teil des Raums abschirmt. Er steht locker und versucht, seinen Atem zu bändigen. Aber ein paar von der Medienmeute haben ihn entdeckt, und schon sind sie da. Na toll. So’ne Scheiße. Billy schickt sich drein.
»Heh.«
»Hallo.«
»Wie geht’s.«
Sie stellen sich vor. Billy hat es längst aufgegeben, sich Namen zu merken. Sie lassen ihn eine Weile in ihre Recorderriegel reden, dann fragt einer, ob er schon mal überlegt hat, aus seinen Irak-Erfahrungen ein Buch zu machen. Billy lacht nur und antwortet per Blick: Also echt!
»Machen’ne Menge Soldaten«, erklärt der Mann, »gibt gerade’n Markt für so was. Auf die Art könnten Sie auch Ihre Story rausbringen und’n bisschen was verdienen. Paul und ich könnten Ihnen helfen, wir waren schon öfter Ghostwriter. Wir hätten Interesse, auch mit Ihnen so’n Buch zu machen.«
Billy scharrt mit den Füßen. »Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, dass ich mal ein Buch schreiben möchte. Ich hab noch nicht mal viel gelesen, bevor ich zur Army kam und ein Kumpel mir Bücher gegeben hat.«
Was für welche, wollen die Medienleute wissen.
»Also, okay. Wollen Sie’s wirklich wissen? Der Hobbit . Kerouac, Unterwegs . Dann dieser Flashman at the Charge , das war saukomisch. Wieso erfährt man in der Schule eigentlich nie was von solchen Büchern? Na, vielleicht weil die Leute dann wirklich zu lesen anfangen würden. Was noch, ja, Hell’s Angels von Hunter S. Thompson. Angst und Schrecken in Las Vegas. Schlachthof 5 , Katzenwiege. Gorki-Park und noch eins mit demselben Typen, diesem Russen.« Lauter Bücher, die er von Shroom hatte.
»Wie fanden Sie die von Thompson?«
»Da hab ich Bock auf Highsein gekriegt«, sagt Billy
Weitere Kostenlose Bücher