Die irre Heldentour des Billy Lynn
als ergäbe sich die Antwort wenn man sich nur genug konzentriert oder so tut.
»Da bin ich überfragt.«
»Dann geh mal hin und frag, joh.«
Josh schwankt. »Das kann ich nicht!«
Day quittiert das mit einem griesgrämigen, mitleidigen Blick. »Willste damit sagen, du kannst nich gehn?«
»Doch, natürlich kann ich gehen.«
»Dann schieb mal rüber, is mein Vorschlag. Redet der über unsern Film oder was, mehr woll’n wir gar nich wissen. Meinste, du schaffst das?«
»Ich weiß nicht, ob das ethisch vertretbar wäre.«
Day schnaubt verächtlich. Er schikaniert affektierte, zartbesaitete weiße Jungs ganz gern mal mit extra-schwarzer Coolness.
»Pass ma auf, du siehst den Mann da. Der steht da öffentlich, richtich? Für was Vertrauliches geht der rein, da schleicht der sich irgendwo privat hin.«
»Äh, möglich. Aber ich wüsste nicht, was das bringen soll.«
»Na was, Mann, Aufklärung! Wissen is Macht, weiß jeder Motherfucker! Geh einfach rüber, so, du hast da was zu erledigen, is kein Ding. Is dein Job, dich um uns zu kümmern, richtig? Kannst da ganz cool vorbeigehn. Kriegt der gar nicht mit.«
Die anderen Bravos mischen sich ein, hauptsächlich zum Zeitvertreib; sie schmeicheln und drängeln so lange, bis Josh einwilligt. Mit mimenhafter Nonchalance schlendert er an Norm vorbei, zieht eine Schleife um dessen Entourage, grüßt die Cheerleaderinnen, dreht zurück zu Norm und geht dicht neben ihmbeiläufig in die Hocke, um sich den Schuh zuzubinden. Die Bravos folgen jeder Bewegung. Hunderttausend Dollar. Als er wieder bei ihnen ist, platzen sie fast vor Neugier.
»Er lässt sich die Verletztenliste durchgeben.«
Oaaah Scheiße. Die lassen uns hier auf dem Trockenen sitzen. Billy schnappt sich einen Football und kickt ihn zu Dime. »Na, los!«, bellt er, und sprintet los, mit einem agonalen Aaagggghhhh und ohne abzuwarten, ob Dime den Ball annimmt, rührt mit Beinarbeit den ganzen Dreck auf, den der heftige Input von Essen und Alkohol in seinen Arterien abgelagert hat. Drei, vier Schritte, und die Beine sind im Sprintrhythmus, die Arme stimmen ein. Er fintet sich zwischen zufällig am Rand stehenden Leuten durch, schert aus nach links, quer durch die Endzone, und jetzt guckt er sich um. Der Ball – Scheiße! – kommt direkt auf ihn zu, rasant küselnd wie ein Bohrvorsatz, Billy erfasst in einem einzigen Sekundenbruchteil alles, Tempo zu Boden zu Trimm gleich geschätzter Landemoment, und gleichzeitig reist sein Blick auf der Flugbahn des Balls zurück zur Quelle, zu dem Urknall aus Dimes Arm und seinem knurrigen Gesicht, in dem plötzlich der Kampfgeist erwacht ist, wie bei einem Wikinger, der axtschwingend an Land springt.
Dime hat eine echte Granate abgeschossen. Der Ball singt wie aufreißende Seide, Billy weiß genau, dieser Schuss kennt kein Pardon, und macht es einfach wie die Profis, lässt den Ball nicht mehr aus den Augen, faltet seinen Bauch praktisch um den Aufprall herum, mit einem atemberaubenden Uuuuuff –.
Touchdown. Er wirft den Ball wieder zu Dime und rückt tiefer in die Endzone vor, eine Liebkosung für die Beine, die frische kalte Luft Nahrung für die Lunge. Laufen, einfach laufen, das fühlt sich so gut an. Mit dem nächsten Pass schickt ihn Dime zu weit, er muss sich recken, auf volle Länge mitten im Lauf und – hab ihn! Aus den Rängen in der Endzone kommt Jubel, als Billy denBall aus der Luft pflückt, und er legt ein Touchdown-Tänzchen hin, ja haa , ja haa , klar bring ich den nach Haus . Vor dem nächsten Pass winkt Dime lange, bevor er wieder eine Bombe loslässt, die saust über Billys Kopf direkt in seine Arme, der Ball schmiegt sich geradezu in seine Arme wie ein Baby, das geschaukelt werden will, und wieder kommt Jubel von den Zuschauern in der Endzone.
Billy ist total drauf. Er spürt es. Es kribbelt in jedem Zentimeter seines Körpers, alle Rezeptoren sind im Kurz-vorm-Orgasmus-Modus, die motorische Kontrolle entsprechend gesichert. Ob sich Athleten die ganze Zeit so fühlen? Was für eine Lust, das schier Körperliche jedes einzelnen Moments, das kraftvolle Federn der Füße auf gutem festem Boden, die kalte Luft beim Ein- und Ausatmen, scharf wie ein Rasiermesserstrich. Für Athleten hat bestimmt sogar Essen mehr Geschmack, und Sex, Mann, da darf man gar nicht dran denken. Natürlich hofft Billy, dass Faison zuguckt, halb ahnt er, dass sie das mit ihm gemacht hat, irgendwie hat die Begegnung mit ihr seine Hirnchemie verändert, und eine Folge davon
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