Die irre Heldentour des Billy Lynn
die dürfen beim Kicking Game benutzt werden.« Und weiter geht’s, zu Trainingstrikots und -shorts hier, Sweatshirts und Hosen da. Ein kurzer Blick in eine Wäscherei im Fabrikhallenformat, und auf zur Ausrüstung für die Coaches. Notebooks, Klemmbretter, kleine und große Flipcharts, Magic Marker, Fettstifte, Kopfhörer, Megafone. Ein Schuhkarton voll silberner Hochglanzpfeifen, ein anderer voll Casio-Stoppuhren. Kabellose Telefone und Video, immer unter Verschluss, leuchtet ja ein. Unterwegs zu Auswärtsspielen brauchen wir zwei Sattelschlepper für die ganze Ausrüstung, neun-, zehntausend Pfund Equipment kommen da schon zusammen.
Am Ende wirkt sogar Dime leicht beduselt. Das ist einfach alles zu viel hier, eine hirnvernebelnde Menge von Produkten für eine Nachfragenische, alle einzeln etikettiert, sortiert, ausgemessen, kollationiert, verstaut und gestapelt, ein Dokument der menschlichen Genialität in Sachen Logistik und Bestandsführung. Billys Kopfschmerzen sind wieder schlimmer, weil er die vielen Dünste inhaliert hat, ahnt er, und als sie den ganzen Weg durch das endlose Depot zurückgehen, hat er plötzlich ein Gefühl von Enge in der Brust, von Kurzatmigkeit, irgendwie als ob seine Lunge ein zu kurzes Bett hätte. Etwas Allergisches, vielleicht; oder etwa ein Herzanfall? Der Gedanke fliegt ihn kurz an, mit einem mentalen Achselzucken; er ist viel zu beschäftigt mit den Mysterien dieses Depots, um sich den Kopf über seine Gesundheit zu zerbrechen. Wie kommt so was alles zustande, das will er wissen, und nicht nur das Wie, sondern auch das Warum hinter diesem ganzen Zeug . Geht vielleicht nur in Amerika. Nur Amerika kann sich einen dermaßen produktintensiven Sport aussuchen.
Billy weiß nicht genau, was er in diesem Raum gerade gesehen hat, aber anscheinend ist ihm davon übel geworden.
»Ach, ähm«, bekennt Ennis schüchtern, »ich war auch’n paar Jahre in der Army, ist ewig her. War damals praktisch jeder. Wurden ja noch eingezogen.«
»Vietnam?«, fragt Dime.
»Grad verpasst. Bin’63 raus und verdammt froh drüber. Kannte’n paar Jungs, die nicht wiedergekommen sind von da.«
»Gab einige«, sagt Dime.
»Können Sie laut sagen. Ich will auch bloß sagen, wie sehr wir schätzen, was ihr Jungs da drüben leistet. Wenn ihr nich wärt, weiß Gott, was hier los wär, wir würden wohl alle längst zu Allah beten und uns die Köpfe mit Handtüchern umwickeln.«
»Haben Sie irgendwas gegen Kopfschmerzen«, fragt Billy. »Ibuprofen? So was?«
»Tonnenweise«, antwortet Ennis. »Haben Sie Schmerzen? Tja also, mein Sohn, ich würd Ihnen ja furchtbar gern helfen, aber ich darf nicht, gesetzliche Vorschriften und so. Hier wird jeder einzelne Artikel, der durch die Fenster da geht«, er zeigt auf den Ausgabeschalter – »registriert und abgeglichen. Sie glauben’s nicht, aber bloß wegen ein paar kleinen Pillen kann ich meinen Job verlieren.«
»Schon in Ordnung«, sagt Billy. »Das will ich natürlich nicht.«
Ennis entschuldigt sich noch einmal. Vor der Tür zur Umkleidekabine bittet Dime ihn, seinen Ball zu signieren. Ennis zuckt zurück. Er gluckst vergnügt, aber mit argwöhnischem Blick.
»Warum das denn? Ich bin doch bloß’n alter Zeugwart, kein Mensch will von mir’n Autogramm.«
»Wenn Sie mich fragen, schmeißen Sie hier den ganzen Laden«, antwortet Dime, worauf Ennis lachend den Filzstift nimmt und seinen Namen auf Dimes Ball schreibt, und das bleibt das einzige Autogramm, das Dime sich heute holt. In der Kabine sind die Spieler fast fertig mit Auftakeln. Die Luft ist ein beißender Schmortopf aus Plastikdünsten, Körpergerüchen, Fürzen, melonig-holzigen Eau de Colognes und ranzig-lakritzig stinkenden Tinkturen auf Petroleumbasis. Norm steht auf einem Stuhl mitten im Raum und ruft die Bravos zu sich, dann müssen sich die Spieler drum herumstellen. Eigentlich haben die Soldaten ihre Quote Redenanhören für heute erfüllt, aber es kommt noch eine, da kann man wohl nichts machen. Die Spieler treten pflichtschuldigst an, und während sich alle in der Raummitte aufstellen, versucht Billy sich auszumalen, was für ein weit verzweigtes System hinter diesen Athleten steht. Sie gehören zu den bestbetreuten Geschöpfen in der Geschichte des Planeten, sie genießen die beste Ernährung, die neuesten Technologien, die beste medizinische Versorgung, sie leben auf dem absoluten Gipfel amerikanischen Innovationsdrangs und Überflusses, das bringt einen glatt aufeine außergewöhnliche
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