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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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gleichzeitig, auf einer mentalen Parallelspur, fällt ihm auf, dass Schmerz immer kommt und geht, dass er zu- und abnimmt wie ein im Freistil durch fremde Himmel ziehender Mond.
    »Mir gefällt das gar nicht«, erklärt March Hawey eben den Umstehenden, »ich halte das psychologisch für falsch und strategisch für falsch. Das Bewusstsein der amerikanischen Öffentlichkeit wachzuhalten, das ist ja in Ordnung, aber wenn man diese Terrorgeschichte rund um die Uhr abnudelt, setzt das über kurz oder lang nur eine Endlosschleife mit negativem Feedback in Gang.«
    »Aber, March«, widerspricht eine Frau, »die wollen uns doch töten!«
    »Klar wollen die das!« March wirft Billy einen amüsierten Blick zu. »Die Welt ist ein gefährlicher Ort, ist ja nichts Neues. Aber den Leuten immer wieder Tärrroa Tärrroa Tärrroa vor’n Latz zu knallen, das ist schlecht für die Moral, schlecht für die Wirtschaft, schlecht für alle.«
    »Außer Cheney«, witzelt jemand, und alle kichern.
    »Stimmt«, räumt March mit einem feinen Lächeln ein. »Ol’ Dick hat so seine eigene Art. Ich war ja lange mit ihm befreundet, aber ich muss sagen, wir haben ewig nicht mehr miteinander geredet.«
    Ein Whiskey-Cola für Billy wird gebracht. Woher wussten die denn –? Egal, sie wussten es eben. Er nickt, nimmt ein paar Schlucke und gibt zustimmend klingende Geräusche von sich, während die Leute von der Heimatfront ihre Gedanken und Gefühle zum Krieg ausbreiten. Alle haben so eine festgefügte Meinung dazu. Sie äußern lauter Gewissheiten, Imperative, Unbedingtheiten, Ansichten, die in dieser Umgebung auch ganz vernünftigklingen. Aber zwischen dem Krieg hüben und dem Krieg drüben liegt ein ziemlicher Abgrund, und nach Billys Erkenntnis muss man andauernd scharf aufpassen, dass man beim Hin- und Herspringen nicht stolpert.
    »Eins will ich Ihnen sagen«, vertraut ihm ein Mann an, »seit Nina Leven haben die Feministinnen nichts mehr zu melden.«
    »Ah ja.« Billy sucht Rat bei seinem Glas. Die Feministinnen?
    »Können Sie glauben«, sagt der Mann. »Die sind gar nicht mehr so scharf auf ›Befreiung‹ seit dem Angriff auf uns. Männer können nämlich bestimmte Dinge, die Frauen nun mal nicht können. Nahkampf zum Beispiel. Gibt vieles im Leben, da kommt’s auf reine Körperkraft an.«
    »Vielleicht brauchen wir ab und zu mal Krieg, damit wir unsere Prioritäten wieder klar kriegen«, sagt ein anderer Mann.
    Nebengesprächsbüschel ziehen Kreise um das Hauptthema, und das ist immer der Krieg. Billy lernt nebenbei den Mann kennen, dem was noch mal gehört – Coolcrete? Pavestone? Einer von diesen Hobbygärtnermärkten jedenfalls. Der Mann erklärt ihm, der aktuelle Aufwärtstrend bei den Angriffen von Aufständischen sei das sichere Anzeichen der Gezeitenwende zu unseren Gunsten. »Zeigt nur, wie verzweifelt die sind«, sagt er. »Wir treffen sie da, wo es weh tut.«
    »Könnte sein«, sagt Billy, als ein Arm wie ein Eichenklotz auf seiner Schulter niedergeht und sich der Gastgeber zu ihm gesellt, Norm selbdritt. Alle verstummen. Alle lächeln und strahlen vorfreudig.
    »Specialist Lynn.«
    »Sir.«
    »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Ja, Sir. Alles ist gut.«
    Die Umstehenden lachen, als hätte Billy etwas furchtbar Geistreiches gesagt. Norm packt ihn im Nacken und schüttelt einpaarmal seinen Kopf. »Welche Ehre«, erklärt er der Gruppe, »welch ein Privileg, diese jungen Helden heute bei uns zu haben.« Billy erschnuppert einen Bourbonhefehauch in Norms Atem. »Sie sind der Stolz und die Freude unserer Nation, und der hier – «, er schüttelt Billy noch ein paar Mal das Hirn durcheinander, »– dieser junge Mann, also, ich will’s mal so sagen. War hier irgendjemand überrascht, dass ein Texaner da am Al-Ansakar-Kanal den Hut aufhatte?«
    Statt einer Antwort brechen sie in heftigen Beifall aus. Alle im näheren Umkreis fahren herum und klatschen mit. Billy ist hilflos ausgeliefert, Norm hat ihn festgenagelt wie einen Schmetterling auf der Platte, er kann nur dastehen und lächeln wie jemand, der soeben in flagranti beim Scheißefressen ertappt worden ist. »Och, jetzt wird er rot!«, ruft eine Frau, und das scheint zu stimmen, Billy spürt selbst, wie es in seinem Gesicht heiß tuckert. Seine Qualen gehen hier also als sympathische Bescheidenheit durch.
    »Ich glaube, wir haben hier einen zweiten Audie Murphy unter uns«, sagt March und grinst Billy an. » Das war ja mal ein großer amerikanischer Held. Auch

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