Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)
wurde und die Partie zu Ende war. Am Samstag ließ er sich natürlich nicht blicken. Feijoo ging die Wände hoch, und mit jeder Stunde, die verstrich, wurde ihm sein Irrtum klarer. Mehr als das verlorene Geld ärgerte ihn, dass er sich hatte verarschen lassen. Immer wieder zog er den Schuldschein aus der Tasche, mit einem unlesbaren Gekrickel unterschrieben, und fragte sich laut, wer dieser Delacruz sei. Wo er lebe. Was er mache. Die Stille ohne Antwort erzürnte ihn noch mehr. Spätabends, als sie schon schlossen, erschien Miguélez. Er protzte herum, dass er seinen Gewinn von gestern in ein Mittagessen mit seiner Frau in Barceloneta und in eine teure Hure am Abend verbraten hatte. Als er sah, wie schlecht Feijoo gelaunt war, beruhigte er ihn: Keine Sorge, er werde ihm helfen. Gleich Montag früh werde er im Präsidium vorbeischauen und Delacruz’ Adresse herausfinden. ›Wenn du damit zu mir kommst‹, sagte der Wirt, ›bring auch die Knarre wieder mit. Diesmal geladen, und dann statten wir diesem Hurensohn einen Besuch ab.‹ Ich weiß nicht, was an dem Montag passiert ist, auch nicht im Rest der Woche. Ich weiß nur, dass Delacruz am nächsten Freitag nicht zum Spielen kam. Dass er nie mehr gekommen ist.«
Der Kellner hielt in seinem Monolog inne, erwartete nun tatsächlich eine Frage, doch Cristòfol fiel nicht gleich eine ein, er war gelähmt von dem Redeschwall. Wir anderen Christofs, um ihn herumgeschart, lachten über sein verdattertes Gesicht.
Dem Burschen aber fiel sogar noch etwas ein: »Komm bitte nicht noch einmal in die Bar, jetzt, wo ich dir alles gesagt habe. Komm nicht wieder, aber falls du doch kommst, weil man dich zwingt oder was auch immer, verrate mich nicht. Feijoo … ich kenne seine Methoden. Er würde mich erst zusammenschlagen lassen und dann dafür sorgen, dass ich unter irgendeinem Vorwand in den Knast wandere. Dabei ist er es, der hinter Gitter gehört. Wenn Delacruz von der Landkarte verschwunden ist, würde ich wer weiß was darauf setzen, dass es auf das Konto von Feijoo und Miguélez geht. Du hast ja heute Morgen gehört, wie er von ihm sprach … Schau mal, damit du weißt, dass ich dir hier keinen Mist erzähle und dass ich dir vertraue, verrate ich dir, was für ein Interesse ich selbst an der ganzen Sache habe. Aber du musst das Geheimnis für dich behalten, ja? Ich weihe dich jetzt in mein Geheimnis ein.«
Cristòfol fand keine Zeit für eine Erwiderung.
»Seit gut einem Jahr habe ich eine Affäre mit Feijoos Frau. Sie heißt – nein, egal wie sie heißt. Ich liebe sie wie wahnsinnig und ihre Kinder auch. Als du heute kamst, war sie nicht da, aber wenn du sie nur zwei Minuten erlebt hättest, wüsstest du, dass dieses Arschloch sie nicht verdient hat. Er behandelt sie wie eine Sklavin, so viel sage ich dir, und zwar vor meinen Augen. Ich kann nichts dagegen tun, aber irgendwann in den nächsten Tagen platzt mir der Kragen. Du verstehst mich, oder? Wenn wir beweisen könnten, dass Feijoo Delacruz’ Tod verschuldet hat oder da zumindest mit drinsteckt, dann würden sie ihn in den Knast stecken, und für uns sähe alles anders aus. Ich sag’s dir noch mal: Wenn du wissen willst, was mit Delacruz passiert ist, musst du der Spur von dem pensionierten Bullen und Feijoo folgen – mit zwei Os, habe ich dir das gesagt? Und jetzt tschüs, ich muss gehen. Viel Glück wünsche ich dir.«
Das waren seine letzten Worte, er legte auf. Cristòfol hatte nicht einmal den Mund geöffnet, war aber vom Lauschen ganz erschöpft. Sofort riefen wir wieder an, um uns wenigstens zu bedanken, doch der Kellner ging nicht mehr dran. Nicht in dieser Nacht und nicht am nächsten Tag, wir versuchten es noch etliche Male.
Den Rest vom Samstag und den ganzen Sonntag, bis jeder Christof wieder in sein Land zurückkehren musste, analysierten wir die Geschichte des Kellners unermüdlich. Wir hielten sie für glaubwürdig, die Falschspielerei passte ja in Gabriels Profil, doch es gab auch dunkle Punkte. Zum Beispiel, dass der Kellner uns weismachen wollte, Feijoo und Miguélez hätten unseren Vater umgebracht. Wir waren überzeugt, dass er lebte. Sein heimlicher Besuch in der Wohnung gab uns allen Anlass zur Hoffnung. Es konnte doch sein, dass in der schmierigen Spielhölle der Auslöser lag, der Wendepunkt, an dem er beschloss, wie es in den Groschenheften heißt, für eine Weile unterzutauchen. Nur dass aus dieser Weile eine Endlosigkeit geworden war. Nun, sagten wir uns: Im Verheimlichen ist er ja
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