Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)
Seelchen wusste, die drei waren unzertrennlich, und schüttelte den Kopf. Dabei sein oder nicht dabei sein. Jetzt oder nie. Sag Ja, und du wirst es nicht bereuen.
Die Energie dieser Frau entwaffnete ihn. Zudem stand die Kommunion seiner jüngeren Tochter bevor, und sie hatten einige Verwandtschaft aus dem Dorf eingeladen. Da durfte es an nichts fehlen. Zum Mittagessen würde man in ein Restaurant in der Innenstadt gehen. Er sagte Ja. Er war dabei.
Leiva, von besonders stoischem Temperament, übernahm die erste Mission. Es war nur ein Test, mit einem leeren Köfferchen, und alles verlief plangemäß. Auch bei den folgenden Operationen gab es keine Zwischenfälle, und schon bald waren sie auf den Geschmack gekommen und freuten sich am Ertrag. Wenn einer der drei Saubermänner den Besen oder Wischmopp vor dem Käfig vorbeischob, warf das Seelchen ihm ein verschwörerisches Lächeln zu. Wäre sie zwanzig Jahre jünger gewesen, hätte sie sich in Leiva mit seiner arglos geduldigen Art sogar verlieben können.
Porras war flink, handelte mit der Unverfrorenheit desjenigen, der weiß, wie man ein Auto kurzschließt, und zeigte keine Angst, erwischt zu werden – was seine beiden Freunde empörte und die Chefin mit Stolz erfüllte. Dieser Sayago hingegen trieb sie zum Wahnsinn. Sobald er ein Beutestück im Eimer hatte, passierte ihm ein Missgeschick nach dem anderen und er stolperte unablässig. Der und sein schlecht gefärbter Walrossbart.
Kurz darauf gab ihr Bruder seinen Marktstand auf. Doch sie machte mit den Diebstählen weiter, aus Gewohnheit und als Sport. Ihre Beuteanteile spendete sie von nun an der Caritas. Das Kofferspiel gab ihr das Gefühl, lebendig zu sein. Als sie in Rente ging, wies sie Porras, Sayago und Leiva an, die Tradition weiterzuführen, als einen besonderen Brauch im Käfig, der nicht absterben durfte. Sie mussten also einen Ersatz für das Seelchen suchen.
Wenig später, als die nicht reklamierten und nicht geplünderten Koffer sich im Lagerraum des Käfigs gefährlich zu stapeln begannen, fiel die Wahl der drei Freunde auf Rita. Sie schien ihnen zart und übergeschnappt, weiches Brot, wie sie sagten. Gerade erst hatte sie die Stelle der heiligen Carola von Clot eingenommen und noch keine Bande mit den Kollegen geknüpft. Porras, jung wie sie, gewann, mit drei Witzchen über ihre Freundschaft und führte sie in Versuchung. Sie willigte ein, fast ohne zu grübeln, als wäre das Ausweiden verlorener Gepäckstücke ein normaler Bestandteil ihrer Arbeit im Käfig. Seit einigen Monaten schon glich ihr Leben einer Achterbahnfahrt, und ihr wurde bei nichts mehr schwindelig. Die Konditoren aßen doch so viel Sahne, wie sie wollten, und die Kinder des Schneiders mussten für ihre Kleider nicht bezahlen. Auf der Ebene spielte sich das hier auch ab, nicht wahr?
Die Putzmänner riefen bei Carola an, um ihr die Entscheidung mitzuteilen. Und selbstverständlich kam das Seelchen tags darauf zum Flughafen, die alten Freunde aus dem Käfig besuchen. Sie vermisste sie doch so sehr! Sie konnten sich nicht vorstellen, wie sie sich zu Hause langweilte! Die wässrigen Augen wurden ihr noch feuchter, zwei Pfützen der Traurigkeit. Sie hatte eine Schachtel Birba-Kekse mitgebracht und eine Flasche Aromes de Montserrat. Die drei Männer von der Reinigungsbrigade und die Polizisten von der Guardia Civil wurden herbeigerufen, dann stießen alle mit Plastikbechern an. Jemand stellte ihr Rita als ihre Nachfolgerin vor. Sie musterte sie von oben bis unten mit seligem Gesicht und stellte ihr ein paar höfliche Fragen. Rita wich ihrem Blick keinen Moment lang aus. Zehn Minuten zuvor hatte sie diese Knittergreisin im Waschraum getroffen. Da stand sie vor dem Spiegel, die Lippen schmerzhaft zusammengepresst, während sie sich links und rechts je einen Liter Augentropfen eingoss.
Das Seelchen strahlte. So, dass Leiva, Porras und Sayago, die bei ihr standen, es deutlich hören konnten, sagte sie: »Du wirst das sehr gut machen, Rita, wirst schon sehen. Der Umgang mit den Leuten, die Kollegen in der Halle … Diese Arbeit ist eine große Bereicherung.«
Und dazu lächelte sie listig.
Als Rita am Abend zu Hause ihren Mantel auszog, bemerkte sie in der Tasche einen unbekannten Gegenstand. Es war ein Fläschen mit Augentropfen.
Christofs: Zur Verteidigung meiner Mutter sei klargestellt, dass sie kein einziges Mal auf dieses Mittel zurückgriff, um aufgebrachte Kundschaft zu besänftigen. Wie schon geschildert, hatte sie genug
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