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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Nummer 123 nach London) und ihn mit einem exzentrischen Foulard kombiniert, was ihn in einen Edelganoven à la David Niven verwandelte. Christophe, der Kleinste, hatte sich das Arabeskenmuster einer Zirkusuniform von Giuditta ausgesucht und stach damit als entfesselter Psychopath hervor, als Cousin von Batmans Joker. Cristòfol schließlich hatte Hemd und Hose so gewählt, dass sie eine Hommage sein sollten, elegant, aber hoffnungslos altmodisch: Sie stammten aus jener letzten Beute, die Bundó nicht mehr hatte auskosten können, aus der Nummer 200, und sie verliehen dem Träger etwas Unbezähmbares, als wäre er ein Wesen auf halbem Weg zwischen Jekyll und Hyde; dabei stanken sie so furchtbar nach Mottenkugeln, dass wir die Fenster des Autos die ganze Zeit offen lassen mussten.
    Christopher nahm einen großen Schluck aus der Whiskyflasche.
    »Wo mögen wohl Porras, Leiva und Sayago heute sein?«
    Diese Frage, so unvermittelt, schepperte durch die enge Kabine wie ein Treffer beim Topfschlagen und ließ uns alle nostalgisch werden.
    »Bestimmt hier in Barcelona«, gelang es Cristòfol, zu antworten. »Und ebenso Frau Rifà, falls sie noch lebt. Ihre Pension existiert nicht mehr, aber vielleicht sollten wir sie in diesen Tagen mal ausfindig machen und besuchen.«
    »Ja, egal was mit unserm Vater passiert, Christofs, wir müssen unsere Recherche fortführen«, forderte Christophe. »Wegen der Fußnoten. Die sind unerlässlich. Es gibt nichts Traurigeres als ein geschlossenes Heimatmuseum.«
    »Petroli, Tembleque, Herr Casellas (der sicher schon tot ist), Carolina … unsere Mütter, Christofs, unsere Mütter! Komische Sache, gerade jetzt und hier an sie alle zu denken.«
    So murmelte Christof, und recht hatte er. Wir waren fünf Minuten vom Wiedersehen mit unserm Vater entfernt, und da erhob sich vor uns – eine nach der anderen, wie im Gänsemarsch und mit einer geradezu mythischen Präsenz – diese Galerie von Figuren, die uns zu ihm geführt hatten und unseren Erinnerungen Geleitschutz gaben.
    Wir tranken auf alle, die uns geholfen hatten, bis zu diesem Moment zu gelangen, und dann, verbündet durch das Blut, das uns zu Kopf stieg, furchtlos wie nie zuvor, sprangen wir aus dem Auto.
    Da im hinteren Raum der Bar gespielt wurde, hörte man durch den Rollladen nicht einmal eine Fliege. Wir hatten vor, ihn ganz langsam hochzuziehen, nur so weit, wie nötig, um hineinzurobben und dabei schön im Schatten zu bleiben. Wenn wir alle vier drin wären, würden wir mit einem Schrei aufspringen (den wir nicht geübt hatten) und sie kalt erwischen. Christophe war für die Decke zuständig, Chris für die Schnüre mit den Haken. Christof war der Fahrer, Cristòfol der Sprecher und Übersetzer.
    Schon der erste Versuch, den Rollladen zu bewegen, zerschmetterte unsere Strategie – mit einem grausam schrillen Knirschen von der Sorte, dass dir die Haare zu Berge stehen und die Zähne taub werden.
    »Schlimmer als wenn Kreide auf der Tafel quietscht«, brummte Christophe.
    Wir sahen uns an, spitzten die Ohren und verkniffen uns das Lachen, warteten zwanzig Sekunden ab. Alles ruhig; sie hatten nichts gemerkt. Doch sie, wie geplant, zu überrumpeln war unmöglich. Die einzige Alternative, so sagten wir uns per Zeichensprache, lag darin, hineinzustürmen – ein Überfall. Christof und Christopher ergriffen den Rollladen. Sie zählten bis drei, dann rissen sie ihn gemeinsam hoch. Sein ohrenbetäubendes Kreischen arbeitete für uns. Wir stürzten hinein und rannten bis vor den erleuchteten Kartentisch.
    »Sitzen bleiben!«, brüllte Christof auf Deutsch, mit der vollen Wucht seines Brustkorbs. Die fünf Spieler sahen ihn aus dem Schatten auftauchen wie einen Todesengel. Unweigerlich mussten ihnen die typischen Bilder von Nazis im Film in den Sinn kommen, in diesem Fall ein nützlicher Horror.
    »Todos quietos y sentados!«, übersetzte Cristòfol mit gepresster Stimme. Die Situation war für ihn so unwirklich, dass ihm die Worte nicht auf Katalanisch, sondern auf Spanisch entfuhren, so wie als Kind beim Cowboy-und-Indianer-Spielen.
    Die Operation dauerte nur fünf Minuten, vom Eindringen bis wir wieder draußen waren, ganz unseren Berechnungen gemäß. Doch nun, da wir sie zusammen in allen Einzelheiten Revue passieren lassen, kommt uns der Verlauf geradezu gemächlich vor. Unser Geschrei ließ die Spieler erstarren. Sie versuchten, uns im Halbdunkel zu erkennen, aber das Licht über ihrem Tisch blendete sie. Der grüne Filz war voller

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