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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Stunden, während das Gespräch länger und länger wurde, begann jeder von uns Brüdern im Stillen, für all die Vasen, Gemälde, Reproduktionen historischer Landkarten, Untersetzer, Lampen und was uns sonst noch an mehr oder weniger kostbaren Stücken in maßloser Fülle umgab, nach Entsprechungen in den Beutelisten unseres Vaters zu suchen.
    Während Ángeles in der Küche einen Apfelstrudel anschnitt und Kaffee machte, ließ Petroli uns auf einem Sofa und zwei Stühlen mit Armlehnen nebeneinander Platz nehmen. Er musterte uns eingehend, einen nach dem anderen. Innerhalb von dreißig Sekunden schlugen drei verschiedene Kuckucksuhren ein Uhr. Extra für uns hatte Petroli einen alten, sogar gebügelten Blaumann aus den Umzugszeiten angezogen, der ihm eigentlich nicht mehr passte. Sein Blick war spöttisch, und er schien zu überlegen, ob er einen Witz reißen sollte oder nicht. Dann gab er jedem von uns einen Namen – oder ordnete vielmehr jedem Gesicht einen Christof zu – und lag in allen vier Fällen richtig. Seit dreißig Jahren hatte er keinen von uns mehr gesehen, und dies war wohl seine Art, sich zu vergewissern, dass es wirklich einen Bezug zwischen uns und seiner Vergangenheit gab. Anschließend ließ er sich in einen Ledersessel fallen und machte sich die Mühe, sich zu erinnern. Und zu erinnern und zu erinnern, bis zur Erschöpfung. Wir nehmen an, dass dieser Nachmittag für ihn zu gleichen Teilen Zerstreuung und Qual war. Jede unserer Fragen führte zu einer Klarstellung seinerseits, die dann wieder neue Fragen aufwarf. So machten Petrolis Worte aus den verknüpften Existenzen Bundós, Gabriels und seiner selbst ein nur noch dichteres Knäuel. Sehr unauffällig, damit er bloß nicht den Faden verlor, blickten wir vier uns an, sobald ein für uns besonders wichtiges Detail ans Licht kam. Ángeles bemerkte das und schaltete sich als unsere Verbündete ins Gespräch ein, indem sie ihrem Mann besonders persönliche Fragen stellte. Dabei schenkte sie uns unverdrossen Kaffee nach, den wir ebenso unverdrossen tranken, als wäre die Schlaflosigkeit der folgenden Hotelnacht der Preis, den wir zu zahlen hätten.
    Als es dunkelte, ließen wir von den beiden ab. Am nächsten Morgen, Sonntag, kamen wir mit der Zusicherung wieder, ihnen diesmal nicht viel Zeit zu rauben, doch dann saßen wir den ganzen Tag bei ihnen. Petroli begann irgendwann, sich zu verzetteln und sich zu wiederholen, doch wir wagten es nicht, ihn zu unterbrechen. Sicher hatte er seit vielen Jahren niemandem mehr aus dieser Zeit seines Lebens erzählt.
    Am Montag mussten wir in unsere eigenen Wirklichkeiten zurückkehren, darum nahmen wir um sieben Uhr abends Abschied von dem Paar, mit herzlichen Umarmungen und dem Versprechen, sie wieder besuchen zu kommen. Im Rückspiegel des Autos sah Christophe sie vor der Haustür stehen und uns winken, bis sie in gespenstischer Dämmerung verschwanden. Nur zwei Kilometer weiter, jeder von uns war für sich mit den Dingen beschäftigt, die Petroli und Ángeles uns gesagt hatten, bat Cristòfol ums Wort, weil er ein Geständnis ablegen wollte. Er hatte einen Gang zur Toilette genutzt, um im Flur in ein paar Schränken herumzuschnüffeln, und hatte es sich nicht verkneifen können, eine Krawatte aus französischer Seide mitgehen zu lassen. Teil der Beute von Umzug Nummer 165.
    »Petroli hätte sie eh nie wieder getragen«, rechtfertigte er sich.
    Unter verschämtem Gekicher kamen sodann ein Cinzano-Aschenbecher (Chris), eine Taschenbuchausgabe von Quevedos El buscón (Christof) und ein schlüsselloser Schlüsselbund mit Mercedesstern (Christophe) zum Vorschein. Ja, das ist hässlich, aber es liegt uns eben im Blut.
    Über diesen selbstlosen Einsatz für unser kleines Christof-Museum hinaus trugen wir von unserer Begegnung mit Petroli seine kompletten Ausführungen auf Kassette davon; er hatte uns erlaubt, ihn aufzunehmen. Und so wollen wir ihn nun – ein wenig geglättet und geordnet – selbst zu Wort kommen lassen.
    Petroli spricht
    Wo soll ich anfangen, Jungs? Mal sehen. Manchmal, um die besonders trübsinnigen Tage zu überstehen (und davon, das könnt ihr mir glauben, gibt es hier in Norddeutschland jedes Jahr eine Menge), vertiefe ich mich in die Erinnerung an ein ganz bestimmtes Gefühl. Es ist ein altes und unwichtiges Gefühl, wenn man so will, aber trotzdem hat es uns alle drei damals immer wieder bestialisch durchgeschüttelt. Es ist mir fast ein bisschen peinlich, davon zu sprechen. Das Erste, was

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