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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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eine Gruppe junger Burschen auf der Ladefläche eines Lastwagens. Eine Clique von Freunden, so sah es aus, in feierlicher Stimmung. Einige reckten strahlend die Faust in die Höhe, und der Jüngste, vielleicht fünfzehn Jahre alt, hatte sich in eine Fahne der Anarchisten gehüllt. Bundó erkannte sich in einem Jungen wieder, der einem anderen den Arm um die Schulter gelegt hatte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und die Ecke eines Transparents hochhielt. Ja, er glich ihm. Lange Zeit starrte er auf das Bild, in der Erwartung, dass ein Schmerz käme, ein Kummer, irgendetwas – aber es kam nichts. Als er wieder aufblickte, war Salvans verschwunden.
    Anstatt es zu verstecken, holte Bundó einen silbernen Fotorahmen hervor, aus einer der ersten Umzugsbeuten, klemmte das Bild hinein und stellte es auf den Nachttisch. An den folgenden Abenden nahm er es zur Hand, wenn er zu Bett gegangen war, und sah sich die Gruppe noch eine Weile lang an. Zuerst seinen Vater – seine angespannten Armmuskeln, seine Kleidung, sein triumphierender Blick –, dann die anderen. Er vertiefte sich in ihre Gesichter und versuchte sich vorzustellen, was sie in jenem Moment gedacht haben mochten. Welcher von ihnen war der beste Freund des Vaters gewesen, sein Gabriel? Vielleicht der schlaksige Junge, um den er den Arm legte? Pessimistisch wie immer hatte Salvans ihm gesagt, sie seien gewiss alle tot.
    Zwei Wochen später, an einem besonders angenehmen Juniabend, konnte Bundó das Bild seines Vaters vervollständigen. Zusammen mit Tembleque und Gabriel war er im DKW auf dem Rückweg von einem Umzug in Badalona. Als sie die Carretera de Mataró entlangfuhren und gerade die Besós-Brücke überquert hatten, bat Bundó darum, kurz am Camp de la Bota anzuhalten.
    »Ich möchte den Ort sehen, wo sie meinen Vater abgeknallt haben«, sagte er.
    Tembleque erbleichte und bremste am Rand einer riesigen Brache. Unwillkürlich bekreuzigte er sich. Wenn es ihnen nichts ausmache, sagte er, würde er sie lieber nicht begleiten. Er werde die Zeit nutzen, um ein paar alte Bekannte im Barri de Pekín zu besuchen. In den Vierzigerjahren, bevor er heiratete und mit seiner Frau und seiner Mutter nach Sant Adrià zog, hatte er selbst in einer der gekalkten Baracken ohne fließend Wasser und Toilette gelebt, die man nun hinter dem Castell de les Quatre Torres sehen konnte. Im Morgengrauen hatte man vom Bett aus oft das unheilvolle Knattern der Hinrichtungssalven gehört und danach, noch grauenhafter, das Krachen der Gnadenschüsse. Da zählte man mit und wusste, wie viele getötet worden waren. Tagsüber spielte man barfuß am Strand Pilota und zerschnitt sich die Sohlen an den Patronenhülsen – »wie an Muschelschalen«. Es gab Kinder im Viertel, die sie sammelten und auf dem Flohmarkt verkauften.
    Gabriel und Bundó stiegen am Castell aus dem Laster. Die salzige Meeresluft umfing sie mit bedrängender Intensität. Die Junisonne, die langsam hinter die Fabrikgebäude und die vordersten Häuserblocks von La Mina abstieg, tauchte alles in ein rötliches trügerisches Licht. Der Festungsbau mit seinen vier Türmen und symmetrisch verteilten Schießscharten ragte vor ihnen auf wie eine Pappkulisse, ein Diorama. An einer Ansammlung von Baracken vorbei gingen die beiden Freunde bis zum Wasser und dann gut hundert Meter am Strand entlang. An der Stelle, wo, wie Tembleque ihnen gezeigt hatte, das Camp de la Bota anfing, schritt Gabriel weiter, und Bundó blieb stehen. Er pflügte mit der Schuhspitze durch den feuchten Sand, so kräftig, dass er die Kiesel mitriss, und zog eine gerade Linie von etwa zehn Metern Länge. Warum er das tat, wusste er nicht. Der Takt, in dem die Wellen plätscherten, schlug ihm derart auf den Magen, dass es ihm hochkam, doch er übergab sich nicht. Bei den Baracken spielte eine Gruppe kleiner Kinder, und von Zeit zu Zeit kreischten alle gemeinsam auf. Es hörte sich an wie ein Stammesschrei. Zwei Hunde ließen, unermüdlich und im steten Wechsel, ihr heiseres Bellen ertönen. Als plötzlich doch beide verstummten, trat eine neuartige Stille ein, und Bundó fühlte sich unermesslich allein. Er schloss die Augen, und in dieser Einsamkeit des Camp de la Bota erkannte er in einem Moment das ganze Erbe seines Vaters. Es war das erste Mal in seinem Leben – und wahrscheinlich das einzige Mal –, dass er sich ihm wirklich nah fühlte.
    Gabriels Hand auf seiner Schulter ließ ihn die Augen wieder öffnen. Beide sagten nichts. Schweigend kehrten

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