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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Geschichte manchmal den Kindern meiner Freunde auf Deutsch. Mir gefällt die Idee, dass dieser Pàtiufet den Brüdern Grimm ein bisschen Konkurrenz macht.«
    »Mir ging als Kind dieses eine Lied nicht aus dem Kopf: Plou i fa sol …, les bruixes es pentinen …«, erinnerte sich Chris und stimmte das Lied auch sogleich an. »In London kommt es nämlich oft vor, dass es regnet und gleichzeitig die Sonne scheint. Jeden zweiten Tag, wenn ich auf dem Schulweg oder im Park bei uns gegenüber, wo ich mit meinen Freunden spielen ging, hochblickte in den grauen Himmel, sah ich, wie ein Sonnenstrahl durch den Nieselregen brach. Da haben wir es wieder, dachte ich. In einer Hütte irgendwo hier in der Stadt kämmen sich jetzt die Hexen ihr Haar, weil sie ausgehen wollen. Als ich das meinen Freunden erzählte, überzeugt, ich würde ihnen ein Geheimnis verraten, da lachten sie mich aus. Um sie zum Schweigen zu bringen, sang ich ihnen das Lied vor. Aber ohne Erfolg.«
    Die linguistischen Vermischungen, die wir von Mal zu Mal weiter perfektionieren, machen uns dem Vater noch ähnlicher. Sie sind eine Art Erbteil, denn er selbst sprach zugleich alle Sprachen und keine. Mit den Jahren, so erzählen die Mütter, überlagerten sich in seinem Gedächtnis all die Wörter, die er in halb Europa aufgeschnappt hatte, und er produzierte fortwährend Kurzschlüsse, falsche Freunde, besonders sparsame Konjugationen oder Etymologien von scheinbarer Logik. Er war der Ansicht, in einem Gespräch dürfe es keine langen Pausen geben, und so übersetzte er im Kopf dauernd von einer Sprache in die andere, als wären es kommunizierende Röhren, und er verwendete dann die erstbeste Lösung, die ihm in den Sinn kam.
    »Mein Gehirn ist eine Rumpelkammer, vollgestopft bis unters Dach«, habe er gesagt. »Das Gute ist: Wenn ich irgendwas brauche, dann finde ich es auch.«
    Wohl nicht zuletzt, weil er selbst solches Vertrauen in seine Fertigkeiten hatte, kam er gut damit durch und entwickelte einen sehr praktischen Idiolekt. Sigrun klagt, die Gespräche mit ihm seien unweigerlich ins Lustige gekippt, selbst wenn sie ganz ernst mit ihm reden wollte. Rita erzählt, er habe zum Rotwein statt vi negre immer vi vermell gesagt, eben weil er in Frankreich, Deutschland und England roter Wein heißt und nicht, wie eigentlich im Katalanischen, schwarzer Wein. Umgekehrt versichert Mireille, dass er einmal in einer Brasserie in der Avenue Jean Jaurès »vin noir« verlangt habe oder gar »vin tinté de la maison«, in Anlehnung an den spanischen vino tinto.
    Auch wenn der Anlass ein abwesender Vater ist: Jedes Mal, wenn wir unsere Erinnerungen zusammenwerfen, machen wir vier Brüder eine letztlich angenehme Erfahrung. Seit wir uns kennen, verbringen wir möglichst jedes fünfte Wochenende miteinander. Bei jedem Treffen schließen wir wieder irgendeine Lücke oder decken irgendein Versteckspiel unseres Vaters auf. Die Mütter helfen uns, jene Jahre zu rekonstruieren, und obwohl das, was wir dabei herausfinden, nicht immer erfreulich ist, überkommt uns doch oft ein tröstliches Gefühl: das Gefühl, wir könnten unsere Vergangenheit als Einzelkinder korrigieren. Dass uns die Kindheit ohne Geschwister oft zur Last wurde und wir uns deshalb schutzlos vorkamen, erscheint uns nun, da wir dem Geheimnis unseres Vaters auf der Spur sind, wie ein Irrtum. Natürlich kann uns niemand die Unsicherheiten von früher nehmen. Aber wir wollen glauben, dass wir Brüder einander auf eine latente, unerkannte Weise schon damals Gesellschaft leisteten; und dass das Leben unseres Vaters einen Sinn hatte, weil er gern mit seinem Geheimnis spielte und weil dieses Geheimnis wir waren.
    Um diese brüderlichen Gefühle von vier Einzelkindern besser verständlich zu machen, hier ein konkretes Beispiel: Als wir Christofs unser erstes Treffen planten – und dabei einen kühlen, distanzierten Ton anschlugen, den wir im Nachhinein lächerlich finden –, verabredeten wir, dass jeder die Fotos mitbringen sollte, die er vom Vater hatte. Wir wollten eines davon auswählen, das ihn am besten zeigte, und damit in unsern vier Heimatländern Annoncen schalten. Wir wollten sein Bild in Zeitungen über den halben Kontinent verbreiten, mit der Bitte, wer ihn gesehen habe, ihn wiedererkenne oder uns einen Hinweis auf sein Versteck geben könne, möge sich bei uns melden. Schließlich aber, nach langer Diskussion, ließen wir es bleiben, denn es schien uns widersinnig. Wenn sein Verschwinden, wie wir alle

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