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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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lange Zeit gar nichts. Er war von den dreien der Sentimentalste. Im Lauf einer Fahrt konnte seine Laune hundert Mal umschlagen, mal schäumte er über vor unbegründeter Freude, dann wieder hing er im Sitz wie ein nasser Sack, und seine Gedanken verloren sich in einem Wirrwarr von Mutmaßungen und Missverständnissen. Seit er Carolina kannte, hatten sich diese Stimmungsschwankungen stark verschlimmert. Gabriel und Petroli wussten, dass nach jedem Treffen mit ihr für eine Weile kein Umgang mit ihm möglich war, und hinter seinem Rücken schlossen sie Wetten ab, wie viel Kilometer es dauern würde, bis er wieder ein Wort von sich gäbe.
    An dem Tag stellte Bundó seinen Allzeit-Schweigerekord auf. Die Freude versuchten wie immer, ihm mit schlüpfrigen Witzen Mut zu machen oder ihn mit spöttischen Bemerkungen zu kitzeln, doch alles vergebens, er reagierte nicht. Gabriel, der solche Zustände des totalen Rückzugs bei ihm schon erlebt hatte, sowohl im Heim als auch in der Pension, erkannte einen Extremfall. Da war es das Beste, auf alle Umschweife zu verzichten.
    »Müssen wir uns Sorgen machen, Bundó? Was ist mit euch passiert?«
    Die Frage zeigte Wirkung.
    »Alles ist verloren.«
    Wie ein Todesurteil fiel dieser Satz. Bundó hielt den zerknitterten Prospekt von der Bank in der Hand.
    »Carolina wird nie mit mir nach Barcelona kommen. Es ist vorbei, Jungs. Ich hab ihr das hier gezeigt, die Via-Favència-Wohnung, mit aller Begeisterung der Welt, und als sie kapiert hat, was das bedeutet, da wurde sie plötzlich zur Furie. Anstatt sich zu freuen, sagte sie, für wen hältst du dich denn und dass sie mit dieser Arbeit aufhört, wann sie es will, und nicht, wann ich es ihr sage. Und dass ich doch kein Märchenprinz bin.«
    Seine Stimme brach zu einem kläglichen Krächzen zusammen, ihm kamen die Tränen.
    »Ich weiß ja, dass ich kein Prinz bin. Aber ich bin auch keiner, der unterm Pantoffel steht. Und sie ist auch keine Prinzessin, verdammte Scheiße! Ich verwette meinen Kopf, sie hat irgendeinen Scheißkunden, der ihr das Blaue vom Himmel verspricht, irgendeinen Froschfresser, der ihr sonst was erzählt, damit er sie zu sich nach Hause kriegt …«
    Petroli, der neben ihm saß, gab ihm einen aufmunternden Klaps auf den Rücken. Aber das war gar nicht mehr nötig. Nun, da Bundó einmal beschlossen hatte zu reden, gab es kein Halten mehr. Länger als eine halbe Stunde hörten sie ihm zu, wie er seinen inneren Monolog nach außen kehrte. Als die Klagen und Vorwürfe sich zu wiederholen begannen, machte er plötzlich eine Kehrtwende und ging zur Selbstkasteiung über. Stück für Stück lud er sich die Schuld an allem auf. Er taugte schließlich gar nichts. Und sie, die Ärmste, tat ja, was sie konnte. Warum hatte er sich das nicht klargemacht? Sich den Lebensunterhalt als Cocotte zu verdienen war doch eine Tragödie. Und plötzlich sah er es in aller Deutlichkeit: Er musste ihr mehr Freiheit lassen. Dann würde sie sich sicher fühlen, und dann würde sie zu ihm zurückkehren. Gabriel und Petroli, die sich eigentlich schon seit einer Weile aus dem Redeschwall ausgeklinkt hatten, vernahmen nun das Fazit.
    »Jetzt sehe ich es vollkommen klar, Jungs. Auf dem Rückweg, wenn es euch nichts ausmacht, halten wir noch mal beim Papillon. Zehn Minuten und basta. Ich schlage ihr vor, wir vergessen das mit der Wohnung, wir zerreißen zusammen diesen Prospekt, keine Verpflichtungen, alles bleibt, wie es ist« – er hielt inne, weil er Luft holen musste. »Und ich bin sicher, im letzten Moment sagt Carolina dann, nein, mach das nicht. Ganz sicher. Die vielen Jahre bei dieser verfluchten Arbeit haben ihre Gefühle einfrieren lassen, aber wenn einer ihr Herz aus dem Eisschrank holen kann, dann ich. Sie hat es vielleicht noch nicht begriffen, aber wir zwei sind füreinander bestimmt. Und wenn es so weit ist, kommt ihr zur Hochzeit, ja? Scheiße, was rede ich! Natürlich kommt ihr, Gabriel und Petroli, ihr seid nämlich die Trauzeugen!«
    Um vier Uhr nachmittags fuhren sie in Paris ein, durch die Porte d’Orléans. Bundó hatte für die Fahrt durch die Stadt das Steuer übernommen, das war das geeignete Mittel, um ihn zum Schweigen zu bringen. Petroli, den Stadtplan vor sich ausgebreitet, gab ihm Richtungsanweisungen. Dafür hatten sie einen ähnlichen Code eingeführt wie Fahrer und Beifahrer bei einer Rallye. »Zwote rechts. Geradeaus bis Ende, erste links, wenn’s geht. Ampel und vielleicht Kreisel, rechts, wenn’s geht.« Die

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