Die italienischen Momente im Leben
dümpelnd, sehen sie einfach nur lächerlich aus. Wenn sie doch wenigstens den Anstand hätten, sich bei Verlassen des Wassers unverzüglich den weißen Hotelbademantel überzuziehen und nicht diese hässlichen Flipflops aus Plastik zu tragen, sondern die schönen passenden Pantoffeln. Aber nichts da, plump schleppen sie ihre außer Form geratenen Leiber herum wie Nilpferde; genau vor mir lässt einer seinen dicken Bauch über die äußerst knappe weiße Badehose hängen. Und seine Beine sind von Krampfadern durchzogen wie eine Landkarte. Es heißt ja immer, Frauen ließen sich gehen, sobald sie sich einen Mann geangelt haben, und würden nur noch mit Lockenwicklern auf dem Kopf und im Bademantel herumlaufen, aber leider muss man genauso sagen, dass Männer irgendwannaufhören, sich kritisch im Spiegel zu mustern. Auf einer Liege nebenan sehe ich einen, dessen Haut von der Sonne rosa gefärbt ist, er wirkt wie eine Mensch gewordene Verkörperung der drei kleinen Schweinchen auf einmal.
»Papa, jetzt hör endlich auf, an allen herumzukritteln … schließlich sind wir hier doch in einem Spa und nicht am Strand.«
Meine Tochter hat natürlich recht. Vielleicht übertreibe ich ja. Man sollte nicht so viel auf das äußere Erscheinungsbild und ein paar Kilos zu viel geben. Schließlich kommen die Leute hierher, um sich in Form zu bringen, nicht etwa um sich bewundern zu lassen. Meine Tochter bleibt lieber bei ein paar Teenagern in ihrem Alter, und ich mache mich auf in den Wellnessbereich. Die Sauna ist mir etwas zu voll. Deshalb beschließe ich, der Salzgrotte einen Besuch abzustatten.
Die einladende breite Glastür führt mich zu den regenerierenden Freuden des Salzwasserbeckens. Warmes Licht umfängt mich. Auf einer Tafel lese ich: »Wasser mit Salz aus dem Toten Meer angereichert, Temperatur: 38 °C. Wie schwerelos treibt der Körper sanft auf dem Wasser, während weiche Klänge Sie umhüllen und Ihnen in Verbindung mit gedämpfter Beleuchtung intensive Momente vollkommener Entspannung schenken. Danach ist Ihre Haut sanft gereinigt und der Kreislauf auf natürliche Weise angeregt.« Ach ja?
Ich wollte schon lange einmal nach Bagno Vignoni. Doch die Idee, dort ein Wochenende zu verbringen, stammt von meiner Tochter Martina. Sie ist jetzt zwar schon dreizehn Jahre alt, hat aber immer noch einen Heidenspaß wie ein kleines Kind bei den Wasserspielen und beim Aquacycling.
Ein Dorf, das aussieht wie eine alte römische Villa mit Badeanlage: Das ist der erste Eindruck des Besuchers, nachdem er die Hügel des Orciatals mit Weizen, Sonnenblumen, Oliven und Weinbergen hinter sich gelassen hat und die stimmungsvollePiazza erreicht. In einem großen Impluvium , einem rechteckigen antiken Becken, umrahmt von eindeutig aus der Renaissance stammenden Säulen, sammelt sich schwefelhaltiges Thermalwasser, dessen Heilkraft schon zur Römerzeit bekannt war.
Eingehüllt in Dampfschwaden – das Wasser ergießt sich immerhin 51 °C heiß in das große Becken –, wirkt dieser kleine Ort in der Nähe von San Quirico d’Orcia wie eine vollkommene Märchenkulisse. Schon Andrei Tarkowski drehte hier seinen berühmten Film Nostalghia , mit dem er dieses Gefühl der Sehnsucht nach der Vergangenheit einfing. San Quirico d’Orcia ist auch eine wichtige Station auf dem Pilgerweg der Via Francigena nach Rom. Als strategisch wichtiger Ort hat Bagno Vignoni viele Herren gesehen, die sich mit Krieg und Zerstörung das Vorrecht eroberten, in seine warmen Quellen einzutauchen. Es heißt auch, die heilige Katharina von Siena sei von ihrer Mutter in der Hoffnung hierhergebracht worden, diese weltliche Erfahrung würde sie davon abbringen, den Schleier zu nehmen. Wie man weiß, hat die therapeutische Wirkung der Quelle nicht ausgereicht, um Katharina von ihrer Berufung abzuhalten, aber es wird von vielen historischen Persönlichkeiten berichtet, die hier Heilung fanden. Heute kann man nicht mehr in dem Becken auf der Piazza baden, unter anderem, weil das Wasser dort leicht radioaktiv sein soll. Aber keine Sorge. Neben dem Hotelspa gibt es noch eine öffentliche Einrichtung, wo man Badekuren und Fangopackungen bekommen kann. Es lohnt sich, dem Verlauf der heißen Quellen ein wenig außerhalb des Ortes zu folgen, wunderschöne Ausblicke eröffnen sich auf die umliegenden Hügel: Im wahrsten Sinne des Wortes taucht man ein in die Natur und die Geschichte, mit Spaziergängen, Wanderungen durch den Wald und unvergesslichen kulinarischen Erlebnissen.
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