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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Alle sollten sie zusehen, denn auch sie hatten sich schuldig gemacht, indem sie die Situation verheimlicht, verschwiegen oder ignoriert hatten …«
    Die Frau berührt meinen Arm und sagt, ich solle ihr folgen. Ich gebe zu, ihre Erzählung hat mich aufgewühlt. Sie nähert sich dem Beckenrand und nimmt einen Schwamm, presst ihn mit den Fingern zusammen, als wollte sie ihn zermalmen. Dann zeigt sie mir mit einem Blick die Säule, an der ich sie vorhin gesehen habe.
    »Die kalte harte Klinge des Kurzschwerts hat dort eine Kerbe hinterlassen. Und schließlich rollte der Kopf ins Wasser.« Erschrocken drehe ich mich um, als sähe ich die Szene vor mir. Ich entdecke an der Marmorsäule eine tiefe Schramme, die eine rote Ader im Stein durchteilt.
    »Es heißt, der Kopf soll noch irgendwo hier liegen. Niemand hat ihn je aufheben oder nach ihm suchen wollen …«
    Also, ausgerechnet mir muss so eine Verrückte über den Weg laufen. Wäre ich mal lieber in die Sauna gegangen! Ich steige aus dem Becken und wickele mich ins Handtuch ein. Das Wasser scheint sich rötlich zu verfärben … Ich weiß, das ist nur meine Einbildung.
    Ich sehe mich um, wie die anderen reagieren. Außer dem, der sich mit dem Finger an die Stirn getippt hat, scheint niemand etwas bemerkt zu haben. Der Wasserdampf wird immer dichter, und irgendwie wird es immer heißer.
    Nun steigt auch sie aus dem Becken und zieht den Bademantel an. Um ihren Hals zieht sich eine feine Narbe, vielleicht ist es auch eine dünne Kette. Im Hintergrund des Raums erscheint eine Frau in einem geblümten Kleid.
    »Lavinia, hör endlich auf mit deinen Geschichten! Lass den Signore in Ruhe, und hol die sauberen Handtücher aus der Wäscherei!«

16.
    POTENZA: LUCANIA
    1983
    Irgendwann kam der Einberufungsbescheid: Standort Potenza in der Region Basilicata. Dort befand sich die Kaserne »Lucania«, berüchtigt für eine der härtesten Grundausbildungen von ganz Italien. Noch vor dem Tor freundete ich mich mit einem frischgebackenen Ingenieur aus Florenz und einem Vermessungstechniker aus Varese an. Eingeschüchtert betrachteten wir die riesige Kaserne. Dann fassten wir uns ein Herz und gingen hinein. Wir mussten sofort zum Appell, und danach hieß es »Ab zum Haareschneiden!«. Ehe man uns die Feldbetten zuteilte, mussten wir uns in einer Reihe aufstellen und sagen, welche Berufe wir im Zivilleben ausübten. Als ich in der Frage dieses: »Als ihr noch Zivilisten wart« hörte, schnürte es mir die Kehle zu, als wäre ich im Gefängnis gelandet.
    »Sag, dass du einen Uniabschluss hast, dann kriegst du einen Job in den Amtsstuben«, zischte mir der Ingenieur zu.
    »Aber ich bin doch erst dreiundzwanzig.«
    »Mach es wie ich, sag, du hättest ein Diplom in Ingenieurswesen gemacht ...«
    Zehn Minuten später kam der Oberst: »Die zwei angeblichen Ingenieure mal antreten zum Latrinenputzen!«
    Der Trick funktionierte nicht, weil er so alt war wie die Welt. Von da an benutzte ich nur noch Ausreden, die mir selbst einfielen.
    Die Latrinen waren wirklich das Letzte, im Laufe der Jahre hatte sich der Urin von Hundertschaften über Hundertschaften auf den Böden abgelagert, vom Rest mal ganz zu schweigen. Aber ich gab mich nicht geschlagen und erfand mein eigenes Reinigungssystem: Ich schnappte mir einen Bewässerungsschlauch und spritzte mit dem Strahl schon mal auf Entfernung den gröbsten Dreck weg, ehe ich an die Feinarbeit ging, der Ingenieur benutzte einen Reisigbesen.
    Das lief auch ganz gut, obwohl der Wasserdruck ziemlich schwach war und wir recht lange zum Bodenreinigen brauchten. Doch auch diese Hilfsmittel seien aufs Allerstrengste untersagt, teilte uns ein »altgedienter« Kamerad mit, der uns bei der Arbeit sah. Auf diese Idee waren schon andere vor uns gekommen und der Oberst, gleichzeitig auch der oberste Chef der Kaserne, hatte sich diesbezüglich sehr klar ausgedrückt:
    »Dem ersten Trottel, der einen Schlauch benutzt, schieb ich ihn hinten rein!«
    »Ist mir doch egal«, sagte der Ingenieur, »als ob ausgerechnet heute jemand kontrollieren kommt.«
    Genau in dem Moment betrat der Gefreite den Raum.
    »Ach du heilige Scheiße!«, rief er.
    Beim Öffnen der Tür kam ihm nämlich das ganze Wasser entgegen, es lief hinaus auf den Gang, rann weiter die Treppen hinab und überflutete das ganze darunter liegende Stockwerk. Wir wurden natürlich sofort zum Oberst zitiert.
    » IHR BEIDEN SEID JA WOHL DAS ALLERLETZTE! NACH DER GRUNDAUSBILDUNG KOMMT IHR ZUR SIZILIANISCHEN VESPER!

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