Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
Vom Netzwerk:
«
    Zur »sizilianischen Vesper« verdonnert zu werden, so erfuhr ich danach, hieß, dass man auf eine besondere, extrem harte Militäranstalt geschickt wurde, so eine wie in dem Film Ein Offizier und Gentleman mit Richard Gere. Schon wieder hatten der Ingenieur und ich einen neuen Negativrekord in der Kaserne »Lucania« aufgestellt. Mittlerweile mied man uns wie zwei Aussätzige, und in der Kantine machten sich die alten Hasen über uns lustig.
    Nach der »Überschwemmung« verliefen die folgenden zehn Tage der Grundausbildung sozusagen normal, allerdings hatte man ein besonderes Auge auf uns. Das Leben dort war hart: um 5.30 Uhr weckte uns der Gefreite mit Tritten gegen die Spinde ... was für ein reizender Mann. Wir mussten sofort aus den Betten springen und den »Würfel« machen: Das bedeutete, die Laken und Decken so exakt auf Kante zu falten, dass sie wie ein Würfel aussahen. Und zwar innerhalb von fünf Minuten, dann kontrollierte der Gefreite, und wenn ihm etwas nicht passte, trat er hinein und man konnte von vorn anfangen. Meine Würfel waren allerdings immer perfekt, keiner bekam sie so gut hin wie ich.
    Nach zwei Wochen wies man uns ein neues Quartier zu. Ich hoffte auf ein etwas wärmeres Bett, aber davon konnte keine Rede sein ... das wäre zu viel Luxus gewesen. Meine neue Nobelherberge war ein Hangar mit 150 Feldbetten, das Quartier davor hatte wenigstens nur neunzig gehabt.
    Ich bekam Feldbett Nr. 56, der Ingenieur etwas weiter weg Nr. 118. Den hatte ich wenigstens vom Hals, aber ich wusste noch nicht, was mich nun für ein Bettnachbar erwartete. Ich sah mich um, hier gab es nicht einmal einen Spind für die eigenen Habseligkeiten.
    Da sagte plötzlich jemand hinter mir:
    »Hey, psst, Kumpel, setz dich zu mir, lass uns Freunde werden.« Der Kerl hieß Giampiero Capoccia, genannt »der Capoccia« und kam aus einem Dorf in der Ciociaria östlich von Rom.
    »Freut mich, ich bin Bruno. Sag mal, weißt du, wo ich hier meine Sachen hinräumen kann?«
    »Ah, man merkt, dass du neu bist, sonst wüsstest du, dass du hier alles übereinanderziehen musst.«
    »Häh?«
    »Okay, ich erklär’s dir: also ich habe jetzt zum Beispiel drei Unterhosen an, eine normale und zwei Boxershorts, morgen ziehe ich mir die normale aus, und dann komme ich mit den beiden Shorts bis Donnerstag über die Runden.«
    Bei so viel Schwachsinn hatte ich Schwierigkeiten, meinem neuen Bettnachbarn zu folgen, aber inzwischen hatte ich schon entdeckt, dass es nur eine Möglichkeit gab, meinen Rucksack zu verstauen, und zwar unter dem Feldbett.
    Dann kam der Gefreite und brüllte seine Befehle:
    »Ihr werdet immer zu zweit eingeteilt – Maccallini und Capoccia antreten!«
    Am Abend gingen wir alle zusammen in eine Pizzeria, und Capoccia erzählte uns sein Leben:
    »Ich lerne, weil ich Unternehmer werden will, im Moment züchte ich Schafe ... davor habe ich mit Regenwürmern gehandelt wie mein Vater. Aber ihr wisst ja, so findet man keine Frau ... wenn du mit einer ausgehst, kannst du ihr ja schlecht sagen, dass du Regenwürmer züchtest, mit Schafen ist das was anderes, die vermitteln zumindest ein Gefühl von Herde und Geborgenheit ...« Und dann erzählte er uns noch mehr solchen Blödsinn, er war wirklich strohdumm. Irgendwann meinte er zu mir: »Du siehst nicht gerade aus, als wärst du gern beim Militär. Hör auf mich: Lerne, wie man es macht, und zahle. Nur so hast du deine Entlassung todsicher in der Tasche. Du brauchst bloß ein Attest von einem Facharzt, der dir bescheinigt, dass du depressiv und erschöpft bist ... Du musst erzählen, dass du nachts nicht schlafen kannst, weil du so viel Schiss hast, und dass das Militär nichts für dich ist. Du bist doch Schauspieler, oder? Bei so vielen ›Beweisen‹ riskiert es keine Kommission der Welt, dich länger beim Barras zu behalten. Mama und Papa müssen bloß ein paar Milliönchen springen lassen, und die Sache ist geritzt. In den letzten drei Jahren sind viele so an ihre Entlassungspapiere gekommen. Worauf wartest du noch?«
    Zu dieser Methode, die um die zwei bis drei Millionen Lire – je nach »Umfang der Krankenakte« – kosten sollte, hatte ihm eine seiner Verwandten geraten. Ein paar Monate später erfuhr ich, dass ebendiese Frau festgenommen wurde, die Anschuldigungen reichten von Urkundenfälschung bis zu schwerem Betrug. Die illegalen Geschäfte, die sie schon länger betrieb, hatten ihr ungefähr 200 Millionen Lire eingebracht, und nur durch Zufall war sie den

Weitere Kostenlose Bücher