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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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Er zuckt die Achseln. »Das nimmt man zumindest an. Niemand hat gesehen, wie es passiert ist. Man hat seine Kleidung auf einem Haufen gefunden, auf halber Strecke zwischen Bibliothek und Kuppel.«
    »Kein großer Verlust, nach allem, was ich gehört habe«, sagt Rotlippchen. »Er war völlig nutzlos. Nach seinem Verschwinden hat man seine Forschungsergebnisse durchgesehen. Notiz- und Tagebücher voller Mist.«
    Das Dessert wird aufgetragen. Eis, eine der wenigen Speisen, für die ich meinen Appetit nicht vortäuschen muss. Ich schlinge es herunter und halte erst inne, als sich ein stechender Schmerz bis in meine Stirn bohrt. Die anderen Jäger stopfen sich weiter voll, vor allem die zwei links am Tisch.
    Sie sind Anfang zwanzig, beide gehen aufs College. Er ist Sportstudent, ihr Hauptfach ist nicht angegeben. Beide sind, um es vorsichtig auszudrücken, ziemlich körperbetonte Typen. Er ist muskelbepackt, protzt aber nicht damit rum. Sie ist schon eher exhibitionistisch veranlagt und trägt knapp geschnittene Klamotten, die ihre Bauchmuskeln zeigen. Gut aussehen tun sie beide: kristallklare Haut, prominente Nasen und feste, runde Wangen. Sowohl Mucki als auch Body haben einen federnden Gang, der ihre unangestrengte Kraft und Beweglichkeit verrät. Aber dumm wie ein Meter Feldweg. Eins ist sofort klar: Sie sind die Favoriten. Einer von ihnen wird die Jagd gewinnen. Der andere wird die Hepra erledigen, die noch übrig sind. Kein Wunder, dass Hagermann unglücklich ist.
    Aus dem Nichts taucht plötzlich Flatterkleid auf, ihre schrille Stimme tönt durch den Saal wie zerbrechendes Geschirr. »Und hatten wir alle ein großartiges Abendessen?«, fragt sie. Ihr hat es offensichtlich geschmeckt: Frisches Blut rinnt immer noch über ihr Kinn. »Zeit für den nächsten Punkt der Tour. Wir sind tatsächlich so schnell vorangekommen, dass für heute praktisch nichts mehr auf dem Programm steht. Also wirklich, ihr solltet es ein bisschen langsamer angehen lassen. Bei dem halsbrecherischen Tempo werdet ihr nichts lernen!«
    Ich fange einen wissenden Blick von Hagermann auf: Hab ich’s nicht gesagt? Das Ganze ist ein sinnloses und komplett überflüssiges Theater.
    »Also bleibt für heute Nacht nur noch der Ausflug zur Kuppel«, fährt Flatterkleid fort. »Das wird ein Vergnügen! Natürlich werden wir höchstwahrscheinlich keine Hepra sehen, weil sie nachts schlafen, aber ihr Geruch ist dort draußen sehr intensiv. Wirklich zum Niederknien.«
    Am Tisch zucken ein paar Köpfe.
    »Also, sollen wir aufbrechen?«
    In null Komma nichts sind wir alle auf den Beinen und warten auf unsere Begleiter. Und dann marschieren wir los.
    Unsere eiligen Schritte auf der Treppe, die Kraft, mit der die Außentüren aufgestoßen werden, der gespannte Ausdruck, den sogar Hagermanns Gesicht angenommen hat, die ruckartigen winzigen Zuckungen unserer Köpfe – wir sind aufgeregt. Wir sind begierig.
    Und wie auf eine stumme Vereinbarung hin sind wir still. Wir schweigen, während unsere Schuhe zunächst über die harten Marmorböden und dann draußen über die weicheren Steine des gepflasterten Pfades klackern. Selbst als wir an der Bibliothek vorbeigehen, sagt niemand ein Wort. Nur Hagermann späht neugierig hinein, sieht dann mich an und fragt sich vielleicht, warum ausgerechnet ich dort einquartiert worden bin. Als unsere Schuhe am Ende des Backsteinpfades auf den harten staubigen Schotter von das Weite treten, ist es, als würde niemand zu atmen wagen, so still sind wir.
    »Es ist jedes Mal wieder wie neu«, sagt schließlich einer der Begleiter und alle gehen noch schneller.
    Ich habe Angst, dass in der allgemeinen Erregung plötzlich alle gleichzeitig losrennen könnten. Viel würde es nicht brauchen, um den Funken zu zünden. Wenn das passiert, bin ich erledigt, denn ich kann nicht rennen. Jedenfalls nicht so schnell wie alle anderen. Nicht mal halb so schnell. Ich weiß noch, wie in der ersten Klasse immer alle meine Mitschüler an mir vorbeigesaust sind, während ich mühsam vor mich hin stampfte, als würde ich mich in einem Fass voller Quecksilber bewegen. Du musst hinfallen, erklärte mein Vater mir, du musst immer so tun, als wärst du gestolpert und hättest dir den Knöchel verstaucht. So kannst du es aussitzen.
    »Hey«, sage ich zu niemandem im Besonderen, »es gibt keine Möglichkeit, in die Kuppel zu kommen, richtig?«
    »Nee«, antwortet mein Begleiter.
    »Wahrscheinlich sehen wir nicht mal Hepra, richtig?«
    »Nee. Um diese

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