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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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Nachtzeit schlafen sie alle.«
    »Das heißt, wir sehen das Gleiche wie jetzt, nur von näher?«
    »Was?«
    »Na ja, bloß Lehmhütten, einen Teich, Wäscheleinen. Das ist alles, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Langweilig«, sage ich kühn.
    Aber die Gruppe kauft es mir ab, jedenfalls so weit, dass es die allgemeine Aufregung dämpft und wir wieder langsamer werden.
    Eine Viertelstunde später nähern wir uns der Kuppel. Ihre Ausmaße überraschen mich: Sie ragt hoch vor uns auf und überspannt eine weit größere Fläche, als ich vermutet hatte. Rotlippchen, die vor mir geht, fängt an zu zucken. Body strafft vor Erregung Rücken und Schultern. Mucki hebt neben ihr schnuppernd die Nase.
    »Ich rieche sie. Ich rieche Hepra«, knurrt Hagermann in die Stille. Köpfe werden knackend zur Seite gerissen, Nasen witternd in alle Richtungen gereckt.
    Etwa fünfzig Meter vor der Kuppel kippt die Stimmung endgültig und die Gruppe stürmt los. Ich laufe so schnell wie möglich hinterher, sehe verwischte Konturen, ein Durcheinander von schwarzen und grauen Schatten, hüpfende, sprintende Beine, fuchtelnde Arme. Die Bewegungen haben nichts Anmutiges, nichts Geordnetes mehr, sondern sind nur noch ein Getümmel aus Hieben, Sprüngen und Sätzen.
    Als ich zu ihnen aufschließe, pressen sie die Gesichter schon an die Scheibe, so fixiert auf das Hepra-Dorf, dass sie meine verspätete Ankunft nicht bemerken. Innerhalb der Kuppel befinden sich zehn Lehmhütten, die gleichmäßig über das Gelände verteilt sind, etwa die Hälfte von ihnen an einem Teich. Und dieser Teich ist bemerkenswert: zum einen, weil er mitten in der Wüste überhaupt existiert, aber auch wegen seiner vollkommen runden Form. Künstlich angelegt, keine Frage.
    Neben den technischen Wunderwerken des Teichs und der Kuppel wirken die Hütten wie prähistorische Überbleibsel. Die Wände sind rau, schartig und von kleinen rahmenlosen Fenstern durchbrochen. Jede Hütte steht auf rechteckigen Steinen, die grob zu zwei Kreisen zusammengefügt sind.
    »Ich kann nichts erkennen«, sagt Fettwanst.
    »Wahrscheinlich schlafen sowieso alle«, sagt ein Begleiter.
    »Aber schnupper doch mal! Ich kann sie riechen, stärker als sonst«, sagt mein Begleiter neben mir.
    »Nur ein bisschen«, meint ein anderer Begleiter am anderen Ende der Gruppe.
    »Mehr als nur ein bisschen«, beharrt mein Begleiter. »Der Geruch ist heute Nacht ziemlich kräftig. Sie müssen tagsüber viel rumgerannt sein und heftig geschwitzt haben.« Er runzelt die Stirn, wendet sich in meine Richtung und schnuppert erneut. »Sehr kräftig heute Nacht. Seltsam.«
    Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. Ich darf mich jetzt nicht bewegen oder irgendwas Drastisches tun. Also versuche ich, ihn abzulenken. »Wie tief ist der Teich?«
    »Ich weiß nicht genau«, sagt er. »Tief genug, um darin zu ertrinken, nehme ich an. Aber bis jetzt ist noch kein Hepra ertrunken. Die sind wie die Fische.«
    »Das ist nie im Leben ein natürlicher Teich«, sage ich.
    »Ein Genie in unserer Mitte«, sagt Hagermann und spuckt auf den harten, staubigen Boden.
    »Ist die Kuppel porös?«, fragt Body plötzlich. Sie war so still, dass es einen Moment dauert, bis ich begreife, dass die hübsche Stimme ihre ist. »Denn ich rieche Hepra. Es ist viel besser als die künstlichen Aromen, die man kaufen kann.«
    »Es scheint in den letzten paar Minuten stärker geworden zu sein«, meint Mucki.
    »Die Kuppel muss irgendwie undicht sein. Ich kann sie wirklich riechen«, sagt Body aufgeregt.
    »Soweit ich weiß nicht, aber heute liegt der Geruch wirklich schwer in der Luft …«, meint mein Begleiter abwesend. »Es ist beinahe acht Stunden her, seit es hell war. Der Geruch dürfte eigentlich nicht mehr so stark sein.« Seine Nüstern beben jetzt heftiger und blähen sich, werden beunruhigend feucht. Er wendet sich in meine Richtung und reißt mit einer plötzlichen Ahnung die Augen auf.
    Ich löse mich von der Gruppe. »Ich geh mal um die Kuppel, um zu gucken, ob man von drüben was sieht.« Zum Glück folgt mir niemand. Auf der anderen Seite spucke ich, verborgen von den Lehmhütten, in die Hände und reibe mir heftig die Achselhöhlen. Ziemlich eklig. Aber das ist die Alternative auch, nämlich in hundert Stücke zerrissen zu werden.
    Als ich zur Gruppe zurückkehre, will sie gerade den Rückweg antreten. »Der Geruch ist verflogen«, sagt Hagermann mit betretener Miene, »und nichts zu sehen. Alle Hepra schlafen.«
    Wir trotten niedergeschlagen los.

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