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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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das Gitter gebunden sind. Epap macht den übelsten Eindruck. Allein in einer Ecke, die Arme auf dem Rücken gefesselt, ist er zur Seite weggesackt und kaum bei Bewusstsein. Seine Augen sind violett und geschwollen. Und dann sehe ich in der Ecke eine weitere gefesselte Person, ein Mädchen, dessen Augen mit neuer Hoffnung aufleuchten. Clair.
    Ich drehe mich zu den Älteren um. Sie grinsen mich lüstern an. »Okay, okay«, sage ich. »Ihr habt gewonnen. Wir geben auf. Wir steigen in den Zug. Wir brechen sofort auf.«
    Sie runzeln die Stirn. Sie haben Widerstand erwartet, keine Kapitulation.
    »Holt einfach Ben. Dann könnt ihr uns losschicken.«
    »Gut«, sagt einer der Älteren. »Steig jetzt in den Zug.«
    »Sobald ihr Ben hergebracht habt«, sage ich, »steige ich ein.«
    Der Ältere lächelt freundlich, Lachfältchen breiten sich auf seinem Gesicht aus. »Okay«, sagt er. »Wie du meinst. Aber das könnte, nun ja, ein bis zwei Stunden dauern. Vielleicht auch drei Stunden mehr oder weniger.«
    Der Kreis der Älteren lacht.
    Ich sehe Sissy an. Sie schüttelt den Kopf. Es ist zwecklos , sagt mir ihr Blick.
    Ich versuche es anders. »Jetzt hört mir mal gut zu«, sage ich. »Ich erkläre es euch noch mal ganz in Ruhe. Wir müssen alle sofort aufbrechen.«
    »Und wie kommst du darauf?«, fragt der Ältere.
    »Sie kommen.«
    »Wer?«
    »Die Schatter.«
    Der Ältere lächelt und zeigt auf Sissy. »Das hat sie auch behauptet. Oh … wir haben schreckliche Angst. Oh … die Schatter treiben in niedlichen Booten den Fluss hinunter.«
    »Ihr solltet auch Angst haben.« Ich starre in ihre feixenden Gesichter, bis ihr Lächeln erstirbt. »Denn ich habe sie gesehen. Und während wir hier sprechen, stürmen sie in unsere Richtung und schieben sich über den Berg wie eine Lawine aus schwarzer Gier. Sie werden in wenigen Minuten hier sein.«
    Ein oder zwei Sekunden lang sind sie still. Dann wird das Schweigen von brüllendem Gelächter unterbrochen.
    »Oh, nicht schlecht, der Herr, wirklich nicht schlecht«, dröhnt der Ältere. »Ich muss zugeben, einen Moment lang hattest du uns fast überzeugt.« Er hört auf zu lachen, und sein Ton schlägt rapide um. »Aber nicht gut genug, nicht annähernd gut genug.« Seine Miene wird hart. »Und jetzt steig in den Zug.«
    »Holen Sie erst Ben. Und in der Zwischenzeit sollten die Mädchen anfangen, in den Zug zu steigen.«
    »Wie meinst du das?«, fragt eins der Mädchen – das mit den Sommersprossen – schüchtern und ängstlich. Obwohl sie ihren Worten kaum selber traut, ignoriert sie die wütenden Blicke der Älteren. »Sag es mir.«
    »Du bist still«, fährt einer der Älteren sie an.
    »Wir müssen alle aufbrechen!«, rufe ich jetzt den Mädchen zu. »Der Zug ist eure Chance zu überleben. Eure einzige Chance.« Als ich sehe, dass sie mir aufmerksam zuhören, beuge ich mich vor. »Ihr glaubt, der Schatter im Immensarium wäre unheimlich gewesen? Stellt euch Dutzende von ihnen vor, Hunderte, die durch das Dorf jagen!«, rufe ich, und das Mädchen mit den Sommersprossen zuckt zurück. »Und dann stellt euch vor, dass sie euch packen und fressen. Denn das werden sie in einer Viertelstunde garantiert tun.«
    Ein kleines Mädchen in der Nähe, kaum älter als sieben, fängt an zu weinen. Das Mädchen mit den Sommersprossen legt tröstend einen Arm um seine Schultern, obwohl es selbst blass geworden ist.
    »Hört nicht auf ihn!«, ruft ein Älterer. »Hört nicht auf diese unverschämten Lügen!«
    »Hört gut zu!«, übertöne ich ihn. »Startet den Motor der Lokomotive. Fangt an, die Brücke herunterzulassen. Wir müssen sofort aufbrechen!«
    Niemand rührt sich.
    Und dann passiert das Einzige, das überhaupt etwas bewirken kann.
    Aus voller Kehle heult ein Schrei am Nachthimmel auf.
    Es nicht der Schrei eines Wolfes oder anderen wilden Tieres, auch kein Klageruf der Einsamkeit. Es ist der Ausdruck eines wahnsinnigen, gestörten Verlangens, seelenvoll, aber nicht menschlich. Kurz darauf stimmt ein zweites Jaulen mit ein, bis bestialisches Geheul im ganzen Tal widerhallt.
    Die Älteren werden blass und reißen die Augen auf, als sie erkennen, dass ihr lebenslanger Albtraum Wirklichkeit geworden ist. Dann reagieren sie sonderbar. Sie befehlen den Mädchen nicht, in den Zug zu steigen, und steigen auch selber nicht ein. Sie drehen sich einfach um und schlurfen mit nach wie vor fassungsloser Miene davon wie Schauspieler, die auf offener Bühne ausgebuht worden sind. Sie trotten über die

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