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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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ergangen. Sie überreichen uns unseren Anteil des Mittagessens: ein paar Beeren, die sie gefunden haben und die wir gierig verschlingen.
    »So viel zum Land von Milch und Honig, Obst und Sonnenschein«, sagt Epap. »Keine Nahrung, keine Milch und kein Honig. Nicht mal Holz zum Verbrennen.«
    »Wir sollten einen Weg nach draußen suchen«, sagt Jacob. »Wir sollten dem Fluss folgen.«
    »Das haben wir gerade getan«, entgegne ich. »Wir haben es jedenfalls versucht. Es ist weiter und schwieriger, als du denkst.«
    »Es ist unsere einzige Möglichkeit«, sagt Jacob mit einem Blick auf den Wasserfall. »Zurück können wir nicht – wir müssten am Rand des Wasserfalls hochklettern, und die Felsen sind viel zu steil und zu glatt. Und hier drinnen können wir auch nicht bleiben. Wir brauchen Nahrung. Wir sollten sofort aufbrechen.«
    »Nein«, sagt Sissy, ohne uns anzusehen. »Wir bleiben hier.«
    »Sissy …«, setzt Jacob an.
    »Hört zu! Ich bleibe!«, faucht sie. »Ihr könnt ja gehen, wenn ihr wollt. Ich bleibe.«
    Jacob sieht sie gekränkt an. »Ich meinte ja nur …«
    »Ich diskutiere nicht mit dir, mit keinem von euch! Es gibt nur zwei Dinge, die wir tun müssen, okay? Irgendein Zeichen des Forschers finden und Gene am Leben halten. Ist das einfach genug, dass ihr es begreift? Das sind die elementaren Faktoren, auf die sich unser Leben zurzeit reduziert. Findet ein Zeichen, haltet ihn am Leben. Zwei Dinge, Leute.«
    Perplex über ihren Ausbruch sitzen wir da. Sie geht mit bebender Brust weg und verschwindet dann hinter ein paar Felsen.
    Ich folge ihr. Sie starrt, die Arme vor der Brust verschränkt, in den Wasserfall.
    »Hey«, sage ich möglichst sanft und trete durch eine schmale Lücke zwischen zwei Felsen.
    Sie antwortet nicht, sondern beißt sich auf eine Seite ihrer Unterlippe, während die andere sich wulstig vorwölbt. Ihre Lider sind halb geschlossen, und eine Träne kullert über ihre Wange. Sie wendet sich nicht ab, wie ich vermutet hätte, sondern hebt die Hand, um die Träne abzuwischen, bedeckt dann jedoch mit zitternden Fingern ihre bebenden Lippen. Kurz bevor ihre Gesichtszüge ganz entgleisen, dreht sie sich schließlich doch um.
    Der Druck setzt ihr zu. Die Last der Verantwortung für so viele Leben, die sie allein auf ihren Schultern trägt.
    Ich lege eine Hand auf ihren Rücken. Sie zuckt nicht wie befürchtet zurück, sondern schmiegt sich gegen meine Hand. Ihre Schulter ist weich, doch man spürt auch die zähe Kraft ihrer Muskeln zwischen den Schulterblättern. Sie dreht sich um und sieht mich mit einer unmittelbaren und grimmigen Intensität an, die nach Ansicht meines Vaters brandgefährlich ist. Augenkontakt bedeutet, in den Fokus der Aufmerksamkeit einer Person zu geraten; dann muss man weggucken, im Hintergrund abtauchen, verschwinden.
    Aber ich kann den Blick nicht abwenden. Mir ist nie aufgefallen, wie schön ihre adlerartigen Augen sind.
    »Ich habe das Gefühl, dass ich alle enttäusche, Gene.«
    »Das ist doch albern. Ohne dich wären wir alle längst tot.« Ich trete noch einen Schritt näher und spüre das Vibrieren ihres Körpers. »Ich bin bei dir, Sissy. Ich möchte ihn ebenso sehr finden wie du. Wenn nicht noch mehr.«
    Für einen Moment verschwimmt ihr Blick, wird nachgiebig und weich.
    Das ist zu viel für mich. Ich wende die Augen ab.
    Eine Weile lang sagen wir beide gar nichts. Dann schüttelt sie den Kopf. »Ich habe das Gefühl, das Offensichtliche zu übersehen«, sagt sie. »Irgendetwas, das er hinterlassen hat. Einen Hinweis, ein Zeichen, irgendetwas direkt vor meiner Nase. Wie bei den Spielen, die er immer mit uns gespielt hat.«
    Ich spüre eine merkwürdige Eifersucht. Mit ihr hat er also das gleiche Spiel gespielt. Ich dachte, ich wäre der Einzige.
    »Alles in Ordnung, Sissy?« Es ist Epap, der auf der anderen Seite des schmalen Durchgangs steht. Sissy löst sich von mir, als er zwischen den beiden Felsen hindurchtritt.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er noch einmal und sieht sie eindringlich an.
    Sie wischt hastig über ihre tränenverschmierte Wange. »Alles bestens«, murmelt sie, drängt sich an ihm vorbei und schlüpft durch die Felsenlücke.
    Wir bleiben allein zurück, und er sieht mich scharf an. Ich ziehe den Kopf ein und gehe an ihm vorbei. Als ich zu der Gruppe zurückkehre, sitzt Sissy schon neben Jacob und zaust ihm lächelnd die Haare. Jacob lacht.
    Wir sind zu müde, um uns zu bewegen. Sonnenstrahlen fallen noch immer in die Höhle, aber

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