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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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niemand weiß, wie lange die Sonne noch scheint.
    Eine Stunde verstreicht; einige von uns dösen ein.
    Plötzlich richtet Sissy sich auf. »Oh, wie dumm!«, sagt sie und schlägt sich mit der flachen Hand an die Stirn.
    »Sissy?«, fragt Epap.
    Sie antwortet nicht, sondern geht zum Wasserfall. Vorsichtig klettert sie auf die Felsen, die das Sturzbecken des Wasserfalls einfassen. Wenn sie so nah beim Wasserfall in das Becken rutscht, könnte sie von einer tödlichen Strömung unter Wasser gezogen werden.
    Nach und nach wachen auch die anderen Jungen auf. »Was macht sie?«, fragt Ben.
    An die Felswand neben dem Wasserfall gedrückt bleibt Sissy kurz stehen und verschwindet dann mit einem Schritt hinter dem Vorhang aus Wasser.
    »Sissy!«, ruft Ben, und im nächsten Moment stürzen wir alle in Richtung des Wasserfalls. Ben ist außer sich vor Sorge, wir müssen ihn zu zweit zurückhalten. Ängstlich spähen wir durch die herabstürzenden Wasserplatten.
    »Da!«, ruft Jacob und zeigt auf die Seite des Wasserfalls, wo der Vorhang aus Wasser ausdünnt und ausfranst.
    Sie ist ein verschwommener Umriss hinter einer Wasserwand. Zuerst streckt sie die Arme aus, dann den Kopf und bückt sich unter dem Wasserfall durch. Als sie auf der anderen Seite wieder herauskommt, ist sie pitschnass, aber sielächelt breit und strahlend. »Kommt ihr nun rein, Jungs, oder nicht?«
    »Hä?«, fragt Epap.
    »Kommt, nicht so ängstlich«, neckt sie uns. »Ich habe da drin eine Höhle gefunden.«
    »Moment mal, Sissy«, sage ich. »Woher weißt du, dass wir dort reingehen sollen?«
    »Nur so eine Vermutung«, sagt sie und lacht befreit. »Und vielleicht auch, weil ich einen kompletten Satz trockener Kleidung und eine Strickleiter gefunden habe.«
    Die Höhle ist dunkel, beleuchtet nur von einem dunstigen Sonnenstrahl. Unsere Kleider sind durchgeweicht, und wir fangen schon an zu zittern.
    »Wegen der trockenen Klamotten, die du erwähnt hast …«, sage ich mit klappernden Zähnen. Lächelnd führt Sissy uns zu einem Korb. Es gibt genug Kleider für ein Dutzend Menschen in verschiedenen Größen.
    »Wie bist du darauf gekommen, hinter dem Wasserfall nachzusehen?«, frage ich sie, während wir in die trockenen Sachen schlüpfen.
    Sie streift ein Paar Wollsocken über. »Wenn man die Jäger davon abhalten wollte, das Land von Milch und Honig zu entdecken, wäre ein Wasserfall so ziemlich der wirksamste Riegel. Kein Jäger – vorausgesetzt, er könnte den Wasserfall überhaupt überleben – würde je darauf kommen, dahinter nachzusehen. So raffiniert ist der Forscher.« Ihre Augenfunkeln. »Versucht, mit mir Schritt zu halten, okay?«, sagt sie lächelnd.
    Nachdem wir uns umgezogen haben, schart sie uns in der Säule aus Sonnenlicht um sich und zeigt nach oben. Zunächst fällt mir nichts Ungewöhnliches auf. Ich sehe nur diesen einzelnen Sonnenstrahl, der wie ein Scheinwerfer von einer mit baumelnden Rankpflanzen überwucherten Decke herableuchtet. Dann entdecke ich zwischen den Ranken beinahe unsichtbar verborgen eine Strickleiter.
    Sie baumelt im Sonnenlicht, an dem einen Ort, auf den die Jäger nie kommen würden, wo nachzusehen sie nie wagen würden. Ein weiterer Riegel.
    Epap macht Räuberleiter für Sissy. Sie schwingt sich nach oben, fasst die erste Sprosse und zieht ihre Beine nach. Kopfüber hängend streckt sie die Arme aus und packt Ben, der auf Epaps Schulter sitzt. Es ist nicht leicht, aber Sissy schafft es, ihn hochzuheben. Und auf diese Weise schwingen wir uns nacheinander auf die Leiter und beginnen den Aufstieg, ohne eine Ahnung, wie lang und anstrengend er werden wird. Hätten wir es gewusst, wären wir wohl nicht so hastig losgeklettert.
    Eine halbe Stunde später erlahmt unsere Begeisterung, unsere Kräfte schwinden, und die Felsenröhre wird immer enger. Klaustrophobie macht sich breit. Mit meinen breiten Schultern spüre ich es als Erster. Meine Ellbogen stoßen gegen die zerklüfteten Wände, mein Rücken wird aufgeschürft. Es ist so eng, dass wir sogar überlegen, ob wir unsere Taschen abwerfen sollen. An einer besonders schmalen Stelle bleibe ich stecken und kann mich auch mit hochgestreckten Armen nicht durch die Lücke zwängen. Epap muss meinen Hintern mit den Händen nach oben schieben, ein extrem peinlicher Moment.
    Das Sonnenlicht trifft diesen engen vertikalen Tunnel nur kurze Zeit. Dann zieht es sich auf einer Seite des Schachts zunächst langsam in einem Bogen zurück, bevor es plötzlich ganz erlischt und

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