Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
Vom Netzwerk:
Vibrieren meine Arme ermüdete. Erst als ich sie gerade sinken lassen wollte, sagte er: »Fertig!«
    Ich spürte, wie der Wind von hinten auffrischte, meine Haarsträhnen hochwehte und mein Hemd blähte wie einen Ballon. Mein Vater wartete noch immer. Dann zerrte dieBöe an meinen Kleidern und drohte, mir das Flugzeug aus den Händen zu reißen.
    »Los!«, rief mein Vater, und ich stieß das Flugzeug in den Himmel. Es hob schaukelnd ab und trudelte mit schwankenden Flügeln durch die Luft. Ich war mir sicher, dass es abstürzen würde, doch es stabilisierte sich und segelte am Himmel dahin.
    »Boah! Daddy, es fliegt!«
    Er nickte mir zu, während er die Fernbedienung bediente. Seine Lippen bebten leicht, ohne dass es ihm bewusst war. Ich starrte ihn an. Es kam einem Lächeln näher als alles, was ich je vorher oder nachher bei ihm gesehen habe.
    Das Flugzeug stieg in immer weiteren Bögen höher und höher. Mein Vater drückte mir die Steuerung in die Hand. Ich hätte sie beinahe fallen gelassen, nicht vor Überraschung, sondern aus Furcht. Er legte seine Hände um meine.
    »Drück auf diesen Knopf«, sagte mein Vater.
    »Was macht er?«
    »Er stellt die Steuerung des Flugzeugs auf Autopilot um.«
    Wir beobachteten, wie das Flugzeug in der Ferne immer kleiner wurde und wie ein Stern am sonnigen Himmel glitzerte.
    »Wohin fliegt es, Daddy?«
    Er zeigte in die Richtung. »Dorthin.«
    »Zu den Bergen im Osten?«
    Er nickte. Und dann sagte er etwas, was mir Angst machte. »Vergiss diesen Augenblick nie.«
    »Okay«, erwiderte ich.
    Aber auch damit war er noch nicht zufrieden. »Vergiss nie, wohin dieses Flugzeug fliegt. Ich will, dass du dir das merkst, okay?«
    »Okay.« Ich blickte zu ihm auf. »Wohin fliegt es denn?«
    Er schwieg so lange, dass ich dachte, er hätte mich nicht gehört. Doch dann flüsterte er zwei Worte, so leise, dass sie wohl nicht für meine Ohren bestimmt waren. »Nach Hause.«
    Einen Moment lang schien es, als wollte er noch etwas loswerden. Nicht nur ein weiteres Wort oder einen Satz, sondern einen ganzen Strom von Gedanken, der unkontrolliert aus ihm heraussprudeln würde. Furcht ergriff mein Herz. Denn ich merkte, dass ich bei all meiner Neugier kein Geständnis hören wollte, das zu lange unausgesprochen geblieben war, keine Geheimnisse, die allzu sorgfältig gehütet worden waren. Ich will das nicht , dachte ich für mich, ich will das überhaupt nicht .
    Aber mein Vater schloss die Augen, und als er die Lider schließlich flatternd wieder öffnete, war sein Blick fest und entschlossen.
    »Vergiss nicht, wohin dieses Flugzeug fliegt, okay?«, sagte er.
    An jenem Tag erschien mir die Richtung des Flugzeugs nicht weiter bemerkenswert, so als hätte mein Vater sie willkürlich gewählt oder danach entschieden, woher der Wind zufällig wehte. Erst Jahre später begriff ich, dass er sich etwas dabei gedacht haben musste. In jeder anderen Richtungwäre das Flugzeug irgendwann über der endlosen Wüste abgestürzt. Nur im Osten konnte es ein anderes Ziel gefunden haben: das Grün von Bergwiesen, das Blau von Gletscherseen, das Weiß von verschneiten Gipfeln, die im Rot der Morgendämmerung leuchten.

17
    … Undeutliche Stimmen, dann Stille. Eine raue Decke wird behutsam über meinen zitternden, eiskalten Körper gebreitet. Ich fasse sie mit brennenden Händen und verliere das Bewusstsein …
    … Aus grauer Hitze und einem Schweißfilm, der in meine Kleidung sickert, tauche ich wieder auf. Selbst in meinem Fieberwahn spüre ich, dass Zeit vergangen ist: Nächte und Tage, Mond und Sonne sind auf- und wieder untergegangen. Ein, zwei Mal wird zischend eine kalte Kompresse auf meine Stirn gelegt. Leise Stimmen murmeln in der Dunkelheit, bevor sie verstummen. Eine kühle Hand fasst meine, erfrischend und hautschmeichelnd wie glatter Marmor. Ich drücke sie fest und falle wieder in die fiebrige Grube aus Hitze und Kälte …
    Stunden oder Tage später schlage ich mühsam die Augen auf. Der Raum ist zu einer zweidimensionalen Leinwand verflacht und flattert wie eine Fahne im böigen Wind. Ein Gesicht schwebt über mir. Es ist Ashley June, ihre Haut krank und blass. Aber ihre Haarfarbe stimmt nicht. Dannverwandelt sich ihr Gesicht in Sissys. Ihre braunen Augen sehen mich besorgt an. Der Raum kippt zur Seite, und ich kneife die Augen zu. Neben mir höre ich das leise Geräusch sanft plätschernden Wassers. Ein feuchtes Tuch wird auf meine brennende Stirn gedrückt. Die Welt versinkt wieder in

Weitere Kostenlose Bücher