Die Jäger des Lichts (German Edition)
gehen gemeinsam weg. Sie dreht sich nicht noch einmal um.
21
»Wohin gehen wir?«, frage ich Sissy, als wir den Weg entlanghasten.
»Ich gehe dieser Sache auf den Grund, Gene.«
»Sag mir, was du vorhast.«
»Ich gehe zu Krugman. Ich werde ihn dazu bringen, mir zu antworten.«
Zehn Schritte weiter sage ich: »Sissy, wir müssen behutsam vorgehen.«
Sie bleibt stehen und sieht mich mit loderndem Blick an. »Wir wissen beide, dass in diesem Dorf irgendwas schrecklich verkehrt ist. Das gefangene Schatter-Mädchen. Die Gleise.« Sie schüttelt den Kopf. »Irgendwas an diesem Ort hat deinen Vater in den Selbstmord getrieben, verdammt! Es reicht mit behutsam!«
»Das weiß ich, Sissy. Aber wir sollten uns noch ein wenig Zeit nehmen, auf eigene Faust nachzubohren. Es wäre bestimmt nicht das Klügste, Krugman unseren Verdacht zum jetzigen Zeitpunkt zu offenbaren.«
Sie stampft mit dem Fuß auf. »Du vergisst etwas. Während das für dich alles neu ist, war ich schon fünf Tage lang auf den Beinen und habe mich umgesehen. Ich habe rumgeschnüffelt und Detektiv gespielt. Jetzt ist Schluss mit der Leisetreterei.« Sie rauft sich das Haar. »Willst du die Wahrheit wissen? Ich gehe allein, wenn es sein muss. Aber mir wäre es lieber, wenn du dabei bist, Gene.«
Ich sehe ihren eindringlichen Blick. Vielleicht hat sie Recht. Vielleicht ist Konfrontation der einzige Weg, ein paar Antworten zu bekommen. Ich denke an die Wäscherinnen mit den Tätowierungen und Brandmalen von heute Morgen, an ihren Widerwillen, etwas zu sagen. Ich nicke Sissy zu. Freude und Erleichterung leuchten in ihren Augen auf.
»Wo ist Krugman?«, fragt Sissy eine Gruppe von Mädchen aus dem Dorf. Sie lächeln nichtssagend und schütteln den Kopf.
»Wo ist der Ältere Krugman?«, frage ich eine andere Gruppe Mädchen. Sie verbeugen sich, schütteln den Kopf und weichen meinem Blick aus.
»Es ist zwecklos!«, seufzt Sissy.
»Hey, Sie!«, rufe ich einem Älteren durch ein Fenster zu.
Er sitzt, die Füße auf dem Tisch und einen Krug in der Hand, auf einem Stuhl und blinzelt mich mit umnebeltem Blick an. Schaumiges Bier läuft am Rand seines Kruges herunter. »Was?«
»Sagen Sie mir, wo Krugman ist!«, rufe ich, wohl wissend, dass ich eine Szene mache. Durch das Fenster sehe ich weitere Gäste im Raum, allem Anschein nach eine Taverne, alles Ältere, die mich belustigt und mit wässrigem Blick ansehen.
»Es steht dir nicht zu, das zu fragen«, erwidert der Mann.
»Es ist dringend. Ich muss mit ihm reden.« Ich trete an das Fenster.
»Nun, müssen wir das nicht alle?«, lallt er. Die Taverne ist voll mit Älteren in verschiedenen Stadien der Trunkenheit. Bierkrüge, Wein- und Whiskygläser werden von dicken, aufgequollenen Fingern gehalten. Alkoholdunst und Tabaksqualm mischen sich mit dem faulen Geruch, der aus ihren Mündern kommt.
Ich entferne mich vom Fenster, sodass sie denken, ich hätte aufgegeben und wäre gegangen. Irgendjemand murmelt etwas, gefolgt von allgemeinem Gelächter. Als Sissy und ich Sekunden später durch die Schwingtür platzen, verblasst das feixende Grinsen in ihren Gesichtern.
»Ich habe gesagt, ich muss Krugman sehen. Wo ist er?«
Ein Älterer am Tresen dreht sich zu mir um. »Was ist denn so wichtig? Vielleicht kann ich euch helfen«, sagt er übereifrig und mit piepsiger Stimme; ich argwöhne, dass er mich auf den Arm nimmt, was durch eine neue Runde Gelächter bestätigt wird.
Aber vorher sehe ich noch, wie ein Älterer mit nervösem, übertriebenem Lachen zu einer geschlossenen Tür hinter dem Tresen blickt.
»Ist er da drin?«, frage ich und zeige darauf.
Augenblicklich verstummt das Gelächter. Es ist, als wäre die Luft aus der Taverne gesaugt worden, sodass der Druck steigt. »Er ist da drin, oder?« Dicht gefolgt von Sissy gehe ich auf die Tür zu.
Sofort erheben sich alle wie ein Mann, Stuhlbeine schrammen über den Boden, alle Trunkenheit scheint verflogen, als wäre das nur eine Frage des Willens. Ohne sich weiter mit Worten aufzuhalten, versperren sie uns blitzschnell den Weg. Einer streckt den Arm aus, sodass ich mit der Brust dagegenpralle.
»Bis hierhin und nicht weiter, Schönling«, sagt er.
»Er ist da drin. Ich muss mit ihm sprechen.«
»Das geht nicht.«
»Sagen Sie ihm, er soll rauskommen.«
»Nein, du musst …«
»Krugman!«, brülle ich. »Krugman! Ich muss mit Ihnen sprechen. Sofort!«
Die Männer verschwenden keine Zeit. Im Handumdrehen haben sie mich umringt und mich an Hals,
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