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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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überwältigender Intensität. Langsam und offenbar voller Widerwillen hebt es den Kopf und starrt mit bestenfalls mildem Interesse auf die Reihe der Schüler. Erst als es uns auf den Logenplätzen sieht, zuckt sein Kopf heftig zur Seite, und es starrt uns eindringlich an.
    »Was ist hier los?«, fragt Sissy gepresst. »Warum ist das Mädchen da drinnen?«
    Epap kann kaum noch an sich halten. Er rückt näher an Sissy heran und bleckt grinsend die Zähne. »Wie kommst du darauf, dass es ein Mädchen ist? Wieso denkst du, dass es überhaupt ein Mensch ist?« Er atmet ein, zwei Mal zischend ein. »Es ist eine von ihnen. Ein ›Schatter‹. So werden sie hier genannt. Passender Name, findest du nicht? Weil sie erst in der Dämmerung rauskommen. Ich wünschte, wir wären darauf gekommen. Nach all den Jahren, die wir nachts von ihnen angegafft worden sind, wäre es schön gewesen, wenn wir irgendeinen Namen für sie gehabt hätten, den wir ihnen hätten entgegenschreien können.«
    Sissy zuckt mit entsetzter Miene zurück und packt mit beiden Händen die Vorderkante der Bank. Ihre Knöchel treten hervor, während sie das eingesperrte Mädchen anstarrt. Das Schatter -Mädchen. Ich flüstere das Wort: »Schatter.«
    Was macht es hier? Wie ist es hierhergekommen?
    Epap knackt sein GlühBrenn auf. Das grüne Licht fällt auf sein unvermittelt ernstes Gesicht. Er springt auf und wirft den Stab mit aller Kraft. Er klatscht in der Mitte gegen die Scheibe. Jubelnd reckt er die Fäuste und bemerkt dann, dass ich mein GlühBrenn noch in meinen plötzlich erschlafften Händen halte. Epap reißt es mir aus der Hand, bricht und wirft es mit einem Schrei. Der Stab bleibt direkt vor dem Mädchen an der Scheibe kleben. Es blinzelt nicht einmal. Es starrt uns immer noch an. Es starrt mich an.
    Hinter uns ist alles still. Die Kinder machen keinen Mucks.
    Schließlich setzt Epap sich wieder. »Wartet nur, was als Nächstes kommt«, sagt er schwer atmend.
    Stiefel trampeln durch den Mittelgang. Eine Lehrerin trägt einen verschlossenen Plastikbehälter, der bis zum Rand mit einer dunklen Flüssigkeit gefüllt ist, die in dem Gefäß hin und her schwappt. Das Schatter-Mädchen richtet sich plötzlich mit gebeugtem Rücken auf und fixiert das Gefäß. »Wir dürfen niemals vergessen, nie aufhören, den unstillbaren Hunger und Durst zu fürchten«, flüstert die Lehrerin, »den die Schatter auf unser Fleisch und Blut haben. Seht und lernt, Kinder.«
    Die Lehrerin steht zögernd vor einem schmalen Glasschlitz. Als wäre es abgesprochen, bewegt sich das Schatter-Mädchen zur gegenüberliegenden Seite der Kammer, ohne das Gefäß aus den Augen zu lassen. Die Lehrerin wartet, bis es auf allen vieren hockt, stellt das Gefäß in den schmalen Spalt und schließt die Luke. Als sie sie verriegelt hat, springt die Luke auf der Kammerseite der Durchreiche auf. Sofort stürzt das Schatter-Mädchen nach vorn und wirft sich mit einer Wucht gegen die Scheibe, die für ein Dutzend Gehirnerschütterungen reichen würde. Noch im Fallen greift es mit zappelnden Armen und Beinen in die offene Durchreiche, als würden seine Gliedmaßen miteinander wetteifern.
    Eine junge Schülerin in der Reihe hinter mir schreit auf. Kurz darauf ertönt ein weiterer tränenerstickter Schrei, bis nach und nach die ganze Reihe von Schulkindern in Tränen ausbricht.
    Das Schatter-Mädchen reißt den Deckel mit den Zähnen auf und kippt sich die Flüssigkeit in den Mund. Binnen Sekunden hat es das Gefäß geleert und leckt sich das Blut aus den Mundwinkeln. Dann sieht es wieder mich an. In seinen Augen liegt eine überraschende Traurigkeit, in seiner Miene so etwas wie Scham. Es wendet sich ab und zieht sich in die hinterste Ecke zurück, den einzigen Winkel der kleinen Kammer, der noch im Schatten liegt.
    »Und das war nur Schweineblut«, flüstert die Lehrerin über das Schluchzen der Kinder hinweg. »Zu den seltenen Anlässen, zu denen es mit Menschenblut gefüttert wird, ist es noch viel wilder und manischer.«
    Menschenblut , denke ich mit einem eiskalten Schauder.
    Die Lehrerin geht an der Scheibe entlang bis zu der Stelle, wo das Schatter-Mädchen kauert, knackt ein weiteres GlühBrenn und hält es ihm entgegen. »Seht ihr, wie es von dem Licht des GlühBrenns irritiert wird?«, sagt sie, als das Schatter-Mädchen die Augen abschirmt und in eine andere Ecke flüchtet. »Schatter sind empfindlich gegenüber praktisch allen bekannten Lichtquellen. Sie verkriechen sich sogar vor

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