Die Jäger des Roten Mondes
Abstammung er nicht einmal erraten konnte …
Als ob das Bild in seinen Gedanken sie erreicht hätte, wurde Dallith blaß. » Werden wir wirklich allein hinausg e hen? «
» Ich weiß es nicht. Ich flehe zu Gott, daß wir zusamme n bleiben können «, sagte er. Ich könnte aus uns vieren – nein, aus uns fünfen – eine einigermaßen schlagkräftige Kampfeinheit machen. » Wir müssen das Beste hoffen, aber auch auf das Schlimmste vorbereitet sein. «
Diese Narren, Dallith als Jagdwild auszuwählen, nur weil sie in wilder Panik wie ein Tiger kämpfte … aber wenn sie allein kämpfen mußte, würden sie sie in Stücke reißen. Schmerzerfüllt schaute er den zerbrechlichen, mädchenha f ten Körper an, die blassen Wangen, die schmalen Gelenke, den Nacken, so zart, daß ihr ebenmäßiger Kopf wie eine Blume auf einem dünnen Stengel aussah. Wie konnte er sie beschützen? Sie sieht aus wie eine der Christinnen, die den Löwen vorgeworfen wurden, dachte er, doch dann schob er diese Gedanken streng beiseite – das konnte ihre Hilflosi g keit nur verstärken.
» Über die meisten dieser Waffen weiß ich nur sehr w e nig «, sagte sie mit einer müden Geste zu den ausgestellten Stücken an der Wand, den Schwertern und Schildern, Me s sern und Speeren. » Meine Leute kämpfen nicht miteinander, außer hier und da bei sportlichen Wettkämpfen oder Kraf t proben. Aber sogar dann sind wir … vorsichtig. Weißt du, derjenige, der einen anderen getötet hat – oder auch nur eine Verletzung in einer Kraftprobe verursacht hat –, würde die Erfahrung des Todes oder des Schmerzes mit seinem Opfer teilen …«
Die Gabe – oder der Fluch – des Einfühlens mußte natü r lich verschiedene Nebeneffekte haben, und das war sicher der wichtigste. Sie hatte eine furchtsame Kultur geschaffen, z u mindest was das Verursachen selbst der geringsten Schme r zen oder Leiden betraf, da der Schmerz eines jeden anderen ebenso wichtig und greifbar wie der eigene wurde …
Sie nahm eine Schleuder von der Wand und drehte sie leicht um ihren Kopf. » Ich dachte «, sagte sie zögernd, » daß ich die hier benutzen könnte. Mein Volk wendet sie manc h mal an, um Schädlinge aus den Feldern und Blumengärten zu vertreiben. Manchmal schießen wir damit auch in Wet t käm p fen um Preise auf bestimmte Ziele. Es ist nicht wichtig, jetzt, da meine Welt weit weg ist …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Dane legte seine Arme um sie und sagte leise: » Was ist los, Dallith? «
Die Schleuder hing locker in ihrer Hand. Sie sagte: » Es ist nur gerecht; ich nehme an, es ist mein Schicksal … w e gen einer Waffe wie dieser bin ich hier . «
Er sah sie mit fragender Verwunderung an.
Dallith sagte mit erstickter Stimme: » Ich galt als guter Schütze; zweimal hatte ich in Wettkämpfen einen seidenen Schal gewonnen. Ich war stolz auf meine Geschicklichkeit und wollte meinen … meinen Namen nicht verlieren. Einige Tage vorher übte ich mit meiner Schleuder in einem abgel e genen Teil des Gartens und war so in meine Übung vertieft, daß ich nicht merkte, wie jemand näher gekommen war. Dann hörte ich einen Schrei und fühlte … oh, solch ein Schmerz … Ich sah meine beste Freundin bewußtlos am Boden liegen. « Sie zitterte und weinte. » Ich wußte … ich wußte, daß die Schleuder töten konnte; ich war nicht vo r sichtig genug gewesen. Nein, sie starb nicht, aber sie erlitt einen Schock und eine Gehirnerschütterung und war tag e lang bewußtlos, und wir dachten alle, sie würde sterben. Ich liebte sie. Ich hätte mich lieber selbst getötet als sie. Sie war meines eigenen Vaters Tochter … und darum wurde ich, als sie außer Gefahr war, dazu verurteilt, für ein Jahr ins Exil zu gehen, weit weg von allen Plätzen, wo Menschen lebten. «
» Mir scheint «, sagte Dane, indem er sie liebevoll an sich drückte, » daß du schon genug bestraft worden bist. «
» Man kann nie genug bestraft werden für einen derartigen Fehltritt «, sagte Dallith zurechtweisend. » Aber da sie nicht starb und für mich sprach – sie sagte, sie sei ebenfalls unvo r sichtig gewesen, da sie nicht bemerkte, daß ich mir ihrer A n wesenheit nicht bewußt war –, wurde ich nur für die Dauer einer Jahreszeit und nicht ein volles Jahr verbannt. Und wä h rend ich mich alleine am Ort meines Exils befand … kam das Sklavenschiff der Mekhar und nahm mich mit. Den Rest kennst du. «
Entschlossen trocknete sie ihre Tränen. » Und darum scheint mir «, sagte
Weitere Kostenlose Bücher