Die Jäger des Roten Mondes
Pflege seines Schwertes, hängte es an seinen Platz an der Wand zurück und ging Dallith zu suchen. Er fand sie damit beschäftigt, lustlos eine Sammlung unbegreiflicher und sicherlich nicht menschlicher Waffen zu betrachten. Sie nahm keine Notiz von ihm, und Dane fühlte wieder die Mischung aus Ärger und unerklärlichen Schuldgefühlen.
Irgend etwas war falsch. Etwas war von Grund auf falsch zwischen ihnen …
»Dallith«, sagte er, »hast du deine Waffe gewählt? Du mußt etwas haben, um dich zu beschützen …«
Sie drehte sich fast wütend zu ihm um und sagte: »Glaubst du, ich erwarte, daß du mich beschützt?«
Ich wünschte nur, ich könnte glauben, daß ich dazu in der Lage bin, dachte Dane, und Angst stieg in ihm hoch. Er sagte düster: »Ob du es nun erwartest oder nicht, Dallith, ich werde es tun, so gut ich kann. Aber ich bin nicht sicher. Nach allem, was ich weiß, werden sie kommen und uns, einen nach dem anderen, holen, und jeder von uns wird den Jägern allein gegenüberstehen.« Bis zu diesem Augenblick war ihm nicht klar gewesen, wie sehr die Analogie des Stierkampfes seine Gedanken beherrschte – das Bild der Arena, die Vorstellung von schreienden Zuschauern, die die Kämpfenden anfeuerten, gesichtslose Kreaturen, deren evolutionäre Abstammung er nicht einmal erraten konnte …
Als ob das Bild in seinen Gedanken sie erreicht hätte, wurde Dallith blaß. »Werden wir wirklich allein hinausgehen?«
»Ich weiß es nicht. Ich flehe zu Gott, daß wir zusammenbleiben können«, sagte er. Ich könnte aus uns vieren – nein, aus uns fünfen – eine einigermaßen schlagkräftige Kampfeinheit machen. »Wir müssen das Beste hoffen, aber auch auf das Schlimmste vorbereitet sein.«
Diese Narren, Dallith als Jagdwild auszuwählen, nur weil sie in wilder Panik wie ein Tiger kämpfte … aber wenn sie allein kämpfen mußte, würden sie sie in Stücke reißen. Schmerzerfüllt schaute er den zerbrechlichen, mädchenhaften Körper an, die blassen Wangen, die schmalen Gelenke, den Nacken, so zart, daß ihr ebenmäßiger Kopf wie eine Blume auf einem dünnen Stengel aussah. Wie konnte er sie beschützen? Sie sieht aus wie eine der Christinnen, die den Löwen vorgeworfen wurden, dachte er, doch dann schob er diese Gedanken streng beiseite – das konnte ihre Hilflosigkeit nur verstärken.
»Über die meisten dieser Waffen weiß ich nur sehr wenig«, sagte sie mit einer müden Geste zu den ausgestellten Stücken an der Wand, den Schwertern und Schildern, Messern und Speeren. »Meine Leute kämpfen nicht miteinander, außer hier und da bei sportlichen Wettkämpfen oder Kraftproben. Aber sogar dann sind wir … vorsichtig. Weißt du, derjenige, der einen anderen getötet hat – oder auch nur eine Verletzung in einer Kraftprobe verursacht hat –, würde die Erfahrung des Todes oder des Schmerzes mit seinem Opfer teilen …«
Die Gabe – oder der Fluch – des Einfühlens mußte natürlich verschiedene Nebeneffekte haben, und das war sicher der wichtigste. Sie hatte eine furchtsame Kultur geschaffen, zumindest was das Verursachen selbst der geringsten Schmerzen oder Leiden betraf, da der Schmerz eines jeden anderen ebenso wichtig und greifbar wie der eigene wurde …
Sie nahm eine Schleuder von der Wand und drehte sie leicht um ihren Kopf. »Ich dachte«, sagte sie zögernd, »daß ich die hier benutzen könnte. Mein Volk wendet sie manchmal an, um Schädlinge aus den Feldern und Blumengärten zu vertreiben. Manchmal schießen wir damit auch in Wettkämpfen um Preise auf bestimmte Ziele. Es ist nicht wichtig, jetzt, da meine Welt weit weg ist …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Dane legte seine Arme um sie und sagte leise: »Was ist los, Dallith?«
Die Schleuder hing locker in ihrer Hand. Sie sagte: »Es ist nur gerecht; ich nehme an, es ist mein Schicksal … wegen einer Waffe wie dieser bin ich hier.«
Er sah sie mit fragender Verwunderung an.
Dallith sagte mit erstickter Stimme: »Ich galt als guter Schütze; zweimal hatte ich in Wettkämpfen einen seidenen Schal gewonnen. Ich war stolz auf meine Geschicklichkeit und wollte meinen … meinen Namen nicht verlieren. Einige Tage vorher übte ich mit meiner Schleuder in einem abgelegenen Teil des Gartens und war so in meine Übung vertieft, daß ich nicht merkte, wie jemand näher gekommen war. Dann hörte ich einen Schrei und fühlte … oh, solch ein Schmerz … Ich sah meine beste Freundin bewußtlos am Boden liegen.« Sie zitterte und
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