Die Jaeger
wirst gebraucht, es ist Kundschaft da.«
»Alles klar.«
Ich sah zu Kurt und warf ihm einen warnenden Blick zu, doch er ignorierte mich völlig. Hingerissen starrte er auf Leif und beobachtete jede seiner Bewegungen. Doch ich konnte nichts mehr für ihn tun. Ich konnte nur hoffen, dass er keine Dummheit machte. Aber bei Kurt wusste man nie …
Es war später Abend, als für mich endlich Dienstschluss war. Doch führte mein Weg mich nicht nach Hause, sondern zu Robert. Auch die vergangenen Abende hatte ich bei ihm verbracht. Sein Heim war nicht das schönste und modernste, er hatte nicht einmal Internet, aber ich genoss es, bei ihm zu sein. Ich liebte seine Nähe und seine Stimme, wenn er mir Geschichten aus seinem Leben erzählte. Davon konnte ich einfach nicht genug bekommen. Wenn er von seiner Kindheit auf dem Land oder vom Studium in einem anderen Jahrhundert berichtete, hing ich an seinen Lippen und saugte jedes Wort auf wie ein Schwamm. Leider hatte er nicht ganz so viel Spaß daran wie ich und erzählte nur ungern von seiner Vergangenheit, so dass ich ihm alles aus der Nase ziehen musste. Aber da musste er durch.
An diesem Abend jedoch hatte ich keinen Nerv für seine Geschichten. Ich machte mir Sorgen um Kurt und fürchtete, er würde seine Erkenntnis nicht lange für sich behalten. Und was Leif dann mit ihm anstellte, darüber wollte ich lieber nicht nachdenken.
Auch Robert schien nachdenklich. »Ich kann mit Leif sprechen, dass er sich zurückhalten soll. Aber vielleicht ist er jetzt ohnehin vorsichtiger und wird sich nicht an dem Jungen vergreifen.«
Ich nickte. »Das hoffe ich auch.«
»Weißt du inzwischen, wer der zweite Spion ist?«
»Nein, mir ist niemand aufgefallen, und ich habe nicht noch einmal etwas geträumt.«
Er schwieg und betrachtete seine Finger, die ruhig auf dem Tisch lagen. »Ich möchte nicht, dass du noch tiefer hineingezogen wirst. Geh kein Risiko ein.«
Ich verzog den Mund. Diese Diskussion hatten wir schon unzählige Male geführt. Doch heute schwieg ich dazu. Die Sache mit Kurt hatte mir offenbar mehr zugesetzt, als mir bewusst war. Robert schien das zu spüren und ließ noch ein paar Warnungen dazu los, die mir ebenfalls nicht neu waren. Danach saßen wir schweigend am Tisch, jeder in seine Gedanken vertieft. Nach Mitternacht, als ich vor Müdigkeit kaum noch denken konnte, machte ich mich auf den Weg nach Hause.
Es war eine trübe Nacht, der Himmel war wolkenverhangen und ein kühler Wind wirbelte Laub auf.
Ich schlenderte durch das stille Mullendorf, das schon tief und fest schlief. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen, nirgendwo brannte noch Licht in den Häusern. Es war eigentlich eine ganz normale Nacht in Mullendorf. Doch irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Ich spürte eine seltsame Unruhe in mir, ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut. Ich beschleunigte meine Schritte, es war nicht mehr weit bis zu unserem Haus. Doch auf einmal frischte der Wind auf. Das Laub wehte von überall her auf die Dorfstraße, direkt auf mich zu. Es wirbelte um meine Füße, verfing sich in meinen Haaren und nahm mir die Sicht. Ich musste neben einer Straßenlaterne stehenbleiben, ruderte mit den Armen und versuchte, es mit den Händen zu vertreiben, doch es waren zu viele Blätter. Sie tobten um mich herum wie lebende Wesen, drangen in meinen Mund ein, peitschten mein Gesicht und ließen mich nicht vorwärts gehen. Ich hatte noch nie mitten in einem Tornado gestanden, aber genauso stellte ich es mir vor. Es war entsetzlich. Ich kämpfte mühsam gegen das Laub an, doch als ich gerade eine Lücke freigerudert hatte, stand dort plötzlich ein Mann. Wie ein düsterer Schatten war er neben mir aus dem Nichts aufgetaucht. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Er war schon älter, hatte dünnes, graues Haar, das er nach hinten gekämmt trug, und ein von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht. Als er mich ansah und dabei lächelte, zeigte er eine Reihe perfekter weißer Zähne.
»Du bist Moona«, sagte er freundlich. »Ich habe schon viel von dir gehört.« Bei diesen Worten fiel das Laub plötzlich zu Boden und bewegte sich nicht mehr. Der Wind war eingeschlafen.
Völlig eingeschüchtert von dem Erlebten richtete ich mich neben der Laterne auf. War das gerade tatsächlich der Wind gewesen, der das Laub bewegt hatte, oder dieser Mann? Hatte er etwa den Wind regiert? Was ging hier vor sich? »Wer sind Sie?«, fragte ich.
»Mein Name sagt dir nichts. Wo warst du gerade?«
Ich
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