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Die Jaeger

Die Jaeger

Titel: Die Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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schüttelte den Kopf und gab mir Mühe, selbstbewusst zu wirken. »Sind Sie meine Mutter? Nein? Dann geht Sie das nichts an.«
    Der Mann nickte zustimmend. »Das ist richtig. Eine junge Frau wie du sollte nicht mit Fremden sprechen. Erst recht nicht mitten in der Nacht. Ich interessiere mich auch nicht für dich. Ich will etwas anderes wissen. Also, wo warst du?«
    Ich schwieg und ging weiter. Er war ein Fremder. Der zweite Fremde im Mullendorf innerhalb kurzer Zeit. Als wäre Mullendorf der Nabel der Welt. Das konnte kein Zufall sein. Er war mit Sicherheit der zweite Spion der Vampirjäger. Mein Herz klopfte, als ich mich von ihm entfernte. Ich musste so schnell wie möglich nach Hause kommen. Doch irgendwie kam ich nicht voran. Ich war gerade an der Straßenecke angelangt, die zu unserem Haus führte, als ich mit einem Mal wieder neben ihm an der Straßenlaterne stand. Und die heimatliche Straßenecke war fünfzig Meter von mir entfernt. Das konnte doch nicht sein!
    Ich rannte erneut die Strecke zur rettenden Straßenecke, doch just in dem Moment, in dem ich sie erreichte, befand ich mich wieder neben dem Fremden. An der Laterne. Was ging hier vor sich?
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte ich und versuchte, die Panik in meiner Stimme zu verbergen.
    »Ich will, dass du mir den Weg zum Mullendorfer Herzen zeigst. Wo ist es?«
    »Wenn Sie das Zentrum meinen, das ist am Rathaus.«
    Der Mann lachte bei diesen Worten. Und bei diesem Lachen brach auf einmal der Sturm wieder los, wirbelte das Laub um mich herum und nahm mir den Atem.
    »Ich meine nicht das Zentrum, sondern das wahre Herz von Mullendorf. Die Macht, die in der Erde ruht.«
    »Ich weiß es nicht!«, rief ich gegen den Wind an. »Ich habe keine Ahnung!«
    »Du lügst!«
    Ich wollte »nein« schreien, doch in diesem Augenblick verlor ich den Boden unter den Füßen. Im wahrsten Sinne des Wortes wurde ich in die Luft geschleudert und mit dem Laub herumgewirbelt.
    »Hilfe!«, rief ich, »helft mir!« Doch niemand hörte mich. Unter mir stand der Mann und dirigierte den Wind, der mich wie in einem Sog herumschleuderte.
    Ich versuchte, dagegen anzukämpfen, doch ich hatte keine Chance. Ich schrie, bis mir fast die Lungen platzten. Ich schrie und schrie …
    Schweißgebadet fuhr ich in die Höhe. Ich befand mich in meinem Bett. Es war nur ein Traum gewesen. Ein Albtraum, von dem ich hoffte, dass er nichts mit meiner Gabe zu tun hatte. Denn ich hatte keine Ahnung, was er bedeuten sollte. Es konnte nichts Gutes sein. Ich richtete mich auf und machte das Licht an, um die schrecklichen Bilder und vor allem dieses Gefühl der Hilflosigkeit zu vertreiben, das ich verspürt hatte. Doch als ich auf meine Bettdecke blickte, stockte mir der Atem. Dort lag ein Blatt.
     

Die Legende
     
    Der Mann hatte keine Zeit zu schreien. Das Monster kam so schnell über ihn, dass er sich nur verwundert umblicken konnte, bevor sein Genick brach. Bei der Frau sah das anders aus. Als sie ihren Mann stürzen sah, kreischte sie und versuchte wegzulaufen, doch das Monster war schneller. In Sekundenbruchteilen hatte es die Flüchtende überholt und verstellte ihr den Weg. Es lachte sie an, als sie in ihrer Panik kehrtmachte und in die andere Richtung laufen wollte. Doch wieder war es schneller und stand tückisch grinsend vor ihr. In dem Moment, als die Frau erkannte, dass es für sie keinen Ausweg gab, war es über ihr. Seine Zähne bohrten sich in die zarte Haut an ihrem Hals. Rosenrote Blutstropfen liefen ihren Nacken hinunter, rannen in ihre helle Bluse. »Das bekomme ich beim Waschen nie wieder raus«, dachte sie, und noch während dieses Gedankens wusste sie, wie absurd er war, denn sie würde nie wieder Wäsche waschen. Sie schrie, dass ihre Stimme von den Mauern der Ruine widerhallte. Doch niemand hörte sie. Sie war allein mit dem Monster. Und das Monster saugte ihr Blut, bis ihr Schrei zu einem leisen Wimmern wurde und schließlich ganz verstummte.
    Robert war kreidebleich, als er im Radio von dem Mord an dem Touristenpärchen in den alten Schlossruinen von Moosberg hörte. Er war immer etwas blass, aber in dem Augenblick sah er aus wie die Wand. Ich hatte nur mit halbem Ohr zugehört, weil ich damit beschäftigt war, im Internet nach der Geschichte von Mullendorf zu recherchieren. Ich wollte einen möglichen Anhaltspunkt für meinen seltsamen Traum und die Andeutungen über die Macht in der Mullendorfer Erde erhalten. Doch als ich spürte, wie erschüttert Robert war, sah ich auf

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