Die Jaeger
und blickte in sein kreideweißes Gesicht.
»Was ist los?«, fragte ich. »Zwei ermordete Touristen in Moosberg? Das ist kaum zu glauben: Touristen in Moosberg? Das schreit förmlich nach einer guten Aufklärung.« Ich lächelte, doch Robert ging auf meinen Scherz nicht ein.
»Ich muss zu Leif«, sagte er und sprang auf.
»Wieso? Was ist denn mit den Touristen passiert? Ich hab nicht hingehört.«
Er schnappte seine Jacke und lief hinaus, ich wie ein braves Hündchen hinter ihm her.
»Es war ein Vampir. Dieses Mal wirklich«, klärte er mich unterwegs auf.
»Ganz sicher? Nicht, dass es wieder ein Mensch wie Matze getan hat, ein Trittbrettfahrer, der euch die Schuld an seinen Verbrechen in die Schuhe schieben will.«
»Die Frau wurde völlig leer gesaugt, haben sie gesagt. Das macht kein Nachahmer. Beim Mann fehlt das Herz, das gilt in unseren Kreisen als Delikatesse. Das tut erst recht kein Mensch.«
»Oh Gott«, murmelte ich geschockt. »Das mit dem Herzen hast du mir nie erzählt.«
Wir stiegen in mein Auto, das vor Roberts Haus parkte. Seit dem gestrigen Traumerlebnis mit dem Fremden, der mich durch die Luft gewirbelt hatte, wollte ich nicht mehr allein in der Nacht durch Mullendorf laufen und war die kurze Strecke zu Robert mit meinem Auto gefahren.
»Inzwischen verzichten die Vampire auf das Herz, weil es zu gefährlich ist. Wer nicht auffallen will, saugt nur so viel, wie er zum Überleben braucht. Alles andere ist Irrsinn.«
»Aber wer hat es dann getan?«
»Entweder ein lebensmüder oder ein unglaublich abgebrühter Grabflüchter, der keine Angst vor möglichen Konsequenzen und den Behörden hat, oder ein sehr, sehr dummer Vampir.«
»Und ein extrem hungriger dazu«, ergänzte ich.
»Ja«, erwiderte Robert und sah zum Fenster hinaus.
»Aber das ist ja vielleicht gar nicht so schlecht, dass er in Moosberg gewütet hat. Damit wird der Verdacht von euch hier in Mullendorf abgelenkt. Oder nicht? Und du und Leif, ihr habt doch bestimmt gute Alibis.«
»Ich war heute Morgen in meiner Praxis mit zwei Patienten. Was Leif getan hat, weiß ich nicht.« Ich sah, wie er die Lippen zusammenpresste, als würde er einen Gedanken zu schrecklich finden, um ihn auszusprechen. Dachte er etwa, dass Leif …? Als ich das mit dem Hunger erwähnte, hatte ich nicht an meinen Chef gedacht. Aber jetzt doch.
Mit wurde schlecht. »Meinst du, er war es?«
»Er ist auf jeden Fall extrem hungrig.«
Wieder schlüpfte ein leises »oh Gott« aus meinem Mund. Das wäre Wahnsinn. Ich konnte nicht glauben, dass Leif so verrückt war, solch ein Aufsehen zu erregen. Und zwei Menschen kaltblütig zu töten.
Ich sagte Letzteres schließlich laut zu Robert, der mit den Schultern zuckte.
»Wir werden es gleich wissen.«
An der Tankstelle angekommen, parkte ich hinter dem Laden. Als wir eintraten, hielten sich dort nur zwei Kunden auf, die von Karen betreut wurden. Leif befand sich im Lager und sortierte frisch eingetroffene Waren.
Er sah überrascht auf, als wir zu ihm traten, widmete sich aber schnell wieder den verpackten Flaschen und Tüten.
»Hast du was damit zu tun?«, fragte Robert unverblümt.
»Womit?«, knurrte Leif als Antwort.
»Mit den toten Touristen in Moosberg.«
»Muss ich mit jeder Leiche was zu tun haben?«
»Ihnen fehlt das Herz.«
Jetzt sah Leif erneut auf. Erstaunen schimmerte in seinem Blick, doch er senkte ihn schnell wieder. »Ich esse keine Herzen mehr.«
Ich schüttelte mich. »Was heißt hier ›nicht mehr‹? Hast du es etwa schon getan?«
Leif nahm einen Block zur Hand und verglich ein paar Zahlen von einem Warenetikett mit einer Liste auf dem Block. »Jeder Vampir macht das einmal. So wie jeder Mensch denkt, er muss wenigstens einmal im Leben echte Trüffel essen oder einen uralten Whisky trinken.« Er klang so ruhig und emotionslos, als würde er mir erklären, dass das gedruckte Telefonbuch im Internet-Zeitalter nicht mehr das war, was es früher einmal darstellte. »Am besten ist es frisch, wenn es in der Hand noch zuckt.«
Ich musste einen Würgereiz unterdrücken. »Das ist widerlich. Ganz entsetzlich abscheulich und unglaublich ekelhaft.«
Leif zuckte mit den Schultern. »Ihr Menschen esst doch auch Hühnerherzen oder Schweineleber. Also was soll's.«
Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte, doch bevor ich ihm eine gepfefferte Antwort geben und mich richtig in Rage reden konnte, legte Robert beschwichtigend seine Hand auf meine Schulter und trat einen Schritt vor. »Wer war
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