Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
durch seine Brille erstaunt an. Was hatte er erwartet, was er hier hören würde? Ein Märchen von guten Feen, die in einem rosa Wunderland herumschwirren und nur mit ihrem Feenstab etwas fuchteln müssen und schon ist alles wieder in Ordnung? Blödsinn! So etwas gibt es nicht!
Aber ich kann erzählen, was es wirklich gibt. Gruselige Missgeburten, mit zwei Köpfen, mehr als dem üblichen Augenpaar, deren Haut übersät mit Pocken ist und stinkt wie mein Hausmüll, wenn der bei 30 Grad Celsius im Schatten in seiner Plastiktüte vor sich hin fault. Es gibt Vampire in dieser Stadt, die im Schutz der Dunkelheit nach Beute jagen. Auch hinter mir sind sie her.
Ich machte eine bedeutungsschwangere Pause, damit der Reporter diese Neuigkeit erst einmal verdauen konnte. Er glotzte mich aber nur weiter ungläubig an. Ich rutschte erneut nervös auf der Bank herum und fügte dann mit einem unsicheren Lächeln hinzu: „Na ja und dann sind da noch die üblichen Verrückten, die sich für eben solche Geschöpfe der Hölle halten.“
Der Reporter lachte kurz auf, wurde aber sofort wieder ernst und lehnte sich nach vorn. „Also, ehrlich, Miss Pearce. Glauben Sie im Ernst, ich nehme Ihnen irgendetwas davon ab? Ich bitte Sie! Pockenmonster und Vampire? Zuletzt habe ich darüber in einem Buch gelesen, das meiner vierzehnjährigen Nichte gehörte.“
Ich konnte nicht anders und ahmte diesen schmierigen Kerl nach. Auch ich lehnte mich nach vorn und lächelte ihn süffisant an. „Also ehrlich, Mister Meyers. Können Sie wirklich so dumm sein und nicht daran glauben? Was denken Sie wohl, woher die Autoren ihre Ideen her haben, mhh? In jeder Legende steckt immer ein Funken Wahrheit. Oh, ich liebe diesen Spruch,“ seufzte ich und fasste mir theatralisch ans Herz. Nach einer kurzen Schwärm-Phase für Pater Michaels Zitat, blickte ich den Mann mir gegenüber an. „Seien Sie nicht blöde, Mann! Wenn Sie etwas noch nie gesehen haben, bedeutet es nicht, dass es nicht da ist! Ich habe Ihre Artikel gelesen, in denen Sie sich über die Monster unter Kinderbetten und Schränken ausgelassen haben. Ich weiß, dass Sie sich oft über diese „Ammenmärchen“ lustig gemacht haben, und genau deshalb habe ich Sie für dieses Projekt ausgewählt,“ sagte ich und deutete mit einem abgebrochenem Fingernagel auf ihn. „Es wird Zeit, dass die Bevölkerung von der Gefahr erfährt, die in unseren Straßen lauert!“ Ich setzte mich wieder zurück und suchte nach einem Anzeichen dafür, dass der Reporter die Flucht ergreifen wollte. Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich erwartungsvoll zurück.
Ich nickte nur kurz und sagte: „Ich erzähle Ihnen meine Geschichte. Und wenn Sie mir dann immer noch nicht glauben, nehme ich Sie gern einmal mit auf eine meiner Touren und zeige Ihnen, was sich unter den Steinen unter unseren Füßen befindet.“ Mein Gesicht verzog sich bei diesen Worten zu einem diabolischen Grinsen. Und ich war zufrieden, als ich sah, wie der Reporter mit großen Augen auf den grauen Stein unter uns blickte und angsterfüllt an seinem Kragen herumfingerte, um den Knoten seiner Krawatte zu lockern.
3. Warum bin ich nur immer so höflich?
Wir sind hier in der St. Marys Kirche. Als ich in das Wohnhaus gleich nebenan einzog, wusste ich noch nicht, was unter ihren Mauern im Verborgenen liegt. Für mich war es eine Kirche wie jede andere auch. Das einzige, was mir neu war, war die Tatsache, dass sie nicht von jedem x-beliebigen Menschen betreten werden konnte. Nur Gemeindemitglieder dürfen hinein und auch nur an Sonn- und kirchlichen Feiertagen. Ich war nicht religiös und Sonn- und Feiertage bedeuteten für mich nur eines: Ausschlafen! Daher schenkte ich der Kirche kaum Beachtung. Meine Wohnung war wesentlich interessanter. Ich liebte sie. Sie war nicht besonders groß und nicht luxuriös eingerichtet. So was brauchte ich nicht. Ich hatte mir das Geld für die Möbel mühsam zusammengespart und war stolz darauf, dass die Einrichtungsphase nach fast drei Jahren endlich vollendet war und ich meinen einundzwanzigsten Geburtstag in Ruhe feiern konnte. Nun ja, ich feierte ihn allein. Ich machte mir auch selbst ein Geschenk und hatte mir über das Internet ein paar echt tolle T-Shirts bestellt, die ich schon seit einer Ewigkeit hatte haben wollen. Ich wartete schon einige Zeit darauf und lauerte jeden Tag auf den Lieferanten. Als es dann soweit war, war ich natürlich nicht zu Hause. Als ich an meinen Briefkasten ging,
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