Die Jaegerin
regelmäßige Ticken eines Uhrwerks.
Unwillkürlich beschleunigte Catherine ihren Schritt. Regenwasser spritzte unter den Füßen auf und durchnässte ihre Schuhe. Auf ein Zeichen des Blonden hin schloss der Kutscher wieder zu ihr auf. Sie wusste nicht, was der Fremde von ihr wollte, dennoch konnte sie das Unheil, das ihn umgab, förmlich riechen. Er stank nach etwas Bösem! Wäre sie noch ein Mensch gewesen, hätte ihr sein Auftreten eine Gänsehaut verursacht.
»Sie sollten nicht mehr in die Bibliothek zurückkehren, Miss Bayne«, durchdrang die sonore Stimme des Blonden das Rauschen des Regens. »Nicht in diese und auch in keine andere.«
Woher weiß er meinen Namen?
Catherine ging schweigend weiter, den Blick starr auf den Weg gerichtet. Da fuhr er fort: »Stecken Sie ihr totes Näschen nicht länger in Dinge, die Sie nichts angehen. Damit tun Sie sich keinen Gefallen.«
Catherine blieb abrupt stehen und wandte sich der Droschke zu. »Wer sind Sie?«
»Denken Sie an meine Warnung. Es wird keine weitere geben.« Der Blonde klopfte mit der flachen Hand gegen die Kabinenwand und lehnte sich dann so weit im Sitz zurück, dass sie ihn nicht mehr sehen konnte. Der Kutscher schwang die Peitsche und trieb das Pferd an. Ratternd entfernte sich die Droschke immer weiter, bis bald nur noch die wankende Kutschenlaterne in der Dunkelheit auszumachen war.
*
Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft entschied sich Catherine nun doch jene Gassen zu nehmen, die für eine Droschke unpassierbar waren. Sie hatte das Gefährt in der Nacht verschwinden sehen, dennoch wollte sie der Gedanke nicht loslassen, jemand könne ihr folgen.
Der Blonde war zweifelsohne ein Mensch gewesen. Doch warum sollte einem Sterblichen daran gelegen sein, zu verhindern, dass sie das Schwarze Kreuz fand? Woher konnte er überhaupt davon wissen? Letzteres war wohl nicht wirklich ein Kunststück. Wo immer sie hinkam, stellte sie Fragen. Sie hatte sich nie die Mühe gemacht, zu verhehlen, wonach sie suchte. Bisher hatte es auch keinen Grund dazu gegeben, doch jetzt hatte sie sichtlich einen.
In der Gasse, in der sich ihre Unterkunft befand, blieb sie im Schatten eines Hauses stehen. Wenn sie wussten, wonach sie suchte, wussten sie vermutlich auch, wo sie wohnte. Was, wenn ihr dort jemand auflauerte? Sie brauchte so schnell wie möglich eine neue Bleibe. Doch das war im Augenblick nicht das größte Problem. Wie sollte sie ihre Nachforschungen jetzt unbemerkt fortsetzen? Zumindest konnte sie jetzt sicher sein, dass sie auf der richtigen Fährte war. Warum sonst sollte jemand verhindern wollen, dass sie weitermachte?
5
Fröstelnd zog Alexandra die Kapuze tiefer ins Gesicht. Selbst der dicht gewebte Stoff ihres Mantels bot keinen Schutz mehr vor dem strömenden Regen. Der Wind zerrte an ihren Gewändern und drängte Nässe und Kälte immer weiter in ihre Knochen.
Nachdem den Männern im Pub der Bericht über den Wahnsinnigen Schlächter in die Hände gefallen war, hatte Vladimir zum Aufbruch gedrängt. Seit sie vor einer Weile in die Royal Mile gebogen waren, hatten die drei Jäger ihre Schritte verlangsamt. Wachsam schweiften ihre Blicke über die hohen Häuser, deren dunkle Fassaden eine Front entlang des Straßenrandes bildeten. Immer wieder führte eine schmale Passage unter einem der Häuser hindurch in eine dahinterliegende Gasse.
Die Enge der Stadt war beklemmend. Im Gegensatz zu London, wo sich die Bevölkerung auf einer großen Fläche verteilte, drängte sich in Edinburgh alles um die Royal Mile herum. Die steil abfallende Straße, die auf dem Grat eines Hügels verlief, begann am Castle Hill, wo sich das Edinburgh Castle hoch über der Stadt erhob, und führte dann über die High Street und vorbei an unzähligen Gebäuden, Läden und Lokalen hinab zum Netherbow, jenem Stadttor, das Edinburgh von der unmittelbar angrenzenden Stadt Canongate trennte. Enge Häuserschluchten wuchsen zu beiden Seiten der High Street aus den steilen Abhängen. Die einstige Furcht vor Angreifern hatte dafür gesorgt, dass massive Verteidigungsanlagen errichtet worden waren, um die Bewohner zu schützen. Der Flodden Wall umgab die Stadt, beginnend am Castle Hill, nach allen Seiten. Eine gewaltige, fünf Fuß dicke Mauer mit Wehrgängen, Türmen und Schießscharten. Auf der nördlichen Seite des Walls lag der Nor’ Loch, ein künstlich angelegter See, dessen Wasser zum größten Teil aus stinkender Kloake bestand. Im Laufe der Jahre war der Flodden Wall, der einst
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