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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Dahinter glaubte sie jedoch einen fahlen Schimmer auszumachen. Vermutlich eine weitere Laterne. Mit einem letzten Blick auf die Jäger, die kaum mehr auszumachen waren, tauchte sie in die Dunkelheit ein. Ihre Absätze knirschten leise, als sie sich vorsichtig voranschob. Der Weg war so eng, dass sie immer wieder mit den Schultern gegen Hauswände stieß. Die Pistole im Anschlag hielt sie am Ende der Passage im Schutze der Schatten inne. Vor ihr eröffnete sich ein quadratischer Innenhof, kaum größer als zehn auf zehn Schritt. Der Lichtschimmer, den sie gesehen hatte, stammte von einer kleinen Handlaterne, die am gegenüberliegenden Ende auf dem Boden lag. Das Glas war zerbrochen, dennoch war das Talglicht darin noch nicht erloschen. Daneben, halb in der Dunkelheit verborgen, glaubte sie die Umrisse einer menschlichen Gestalt auszumachen, die dort auf dem Boden lag. Bevor Alexandra mehr erkennen konnte, sprang ihr etwas entgegen. Eine Klaue fuhr durch die Luft und raste auf sie zu. Alexandra ließ sich fallen und rollte sich herum. Auf dem Rücken liegend richtete sie die Pistole auf ihren Angreifer. Die Kreatur jedoch hielt sich nicht länger mit ihr auf. Alles, was Alexandra sah, ehe das Wesen im Durchgang verschwand, war der Saum eines Kleides, der unter dem Mantel hervorblitzte. Ein weiblicher Vampyr! Alexandra sprang auf die Beine. Ihr Blick zuckte auf den Hof, zurück zu der Gestalt, die reglos im schwächer werdenden Schein der zerbrochenen Laterne lag. Normalerweise wäre sie der Vampyrin sofort gefolgt, doch sie hatte sie offenbar gestört. Womöglich war das Opfer noch zu retten!
    Mit wenigen Schritten erreichte Alexandra die andere Seite des Hofes. Ein junges Mädchen lag dort halb in den Schatten verborgen, den gebrochenen Blick starr in den Himmel gerichtet. Seine Augen füllten sich mit Regenwasser, das wie ein steter Tränenstrom aus seinen Augenwinkeln und über die Wangen rann. Als beweinte es seinen frühen Tod. Aus zwei winzigen Wundmalen am Hals lief ein kleines Rinnsal Blut, das vom Regen aufgenommen und fortgewaschen wurde. Das Talglicht flackerte und erlosch.
    Wieder ein Opfer! Und wieder würde es irgendwo eine Familie geben, die den Tod einer Angehörigen zu beklagen hatte. Eines halben Kindes! Wann würde das endlich aufhören?
    Fluchend machte Alexandra kehrt und folgte der Kreatur in den Durchgang. Momente wie dieser waren es, die sie am Leben erhielten. Das war ihr einziger Daseinszweck. Die Jagd lenkte sie von der Einsamkeit ab, zu der eines dieser Monster sie verdammt hatte.
    Ehe sie auf der anderen Seite wieder in die Gasse trat, blieb sie stehen. Die Pistole bereit beugte sie sich vor und sah sich um. Weder die Jäger noch die Vampyrin waren zu sehen. Zoll um Zoll folgten ihre Augen der abfallenden Straße. Welchen Weg mochte die Kreatur eingeschlagen haben? Zurück auf die Royal Mile oder tiefer in das verwinkelte Labyrinth des Mary King’s Close und der angrenzenden Sackgassen?
    Alexandra wischte sich den Regen aus dem Gesicht, den nicht einmal die Kapuze fernzuhalten vermochte. Niemals zuvor war sie einem weiblichen Vampyr begegnet. Würde diese Kreatur ebenso stark sein wie die anderen? Sie würde kein Risiko eingehen. Alexandra verbarg die Pistole in der Manteltasche vor dem Regen. Zwei Schuss, ehe ich nachladen muss. Die Waffe war eine Spezialanfertigung mit zwei Läufen. Ein Umstand, der ihr schon mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Sie benutzte ausschließlich Silberkugeln, das einzig effektive Mittel gegen die Vampyre.
    Während sie noch unentschieden war, in welcher Richtung sie ihre Suche fortsetzen sollte, bemerkte sie in einiger Entfernung eine Bewegung. Sie fuhr herum, die Hand in der Tasche um den Pistolengriff geschlossen. War da etwas? Eine Gestalt, die sich in die Schatten einer weiteren Gasse zurückzog? Vollkommen geräuschlos? Alexandra kniff die Augen zusammen und starrte auf jene Stelle, wo sie glaubte die Bewegung gesehen zu haben. Da war nichts mehr. Dennoch war sie überzeugt, dass sie sich nicht geirrt hatte. Sie rannte los.
     
    *
     
    Als Catherine die Gestalt im Kapuzenmantel bemerkte, die auf der anderen Seite der Gasse in einem schmalen Durchgang innegehalten hatte, zog sie sich mit einem schnellen Schritt in die Schatten zurück. War es der Blonde aus der Droschke, der ihr hierher gefolgt war? Wie kam sie überhaupt hierher? Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie vor ihrer Unterkunft gestanden hatte. Alles, was danach kam, lag

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