Die Jaegerin
dich hier herumzutreiben!« Der gedämpfte Ton täuschte nicht über den Zorn hinweg, der in seinen Worten schwang. Doch es war die Stimme selbst, die Alexandra erstarren ließ: der Unendliche! Sie presste sich mit dem Rücken an die Wand und hoffte, dass er sie noch nicht bemerkt hatte.
»Willst du mich jetzt bestrafen?« Das musste die Frau sein, der Alexandra gefolgt war. Sie stieß ein leises Lachen aus, und als er nichts erwiderte, sagte sie: »Die Menschen hier sind so eine leichte Beute. Es ist berauschend, ihre Furcht zu riechen!«
»Du weißt genau, dass sie überall nach einem Mörder suchen!« Etwas an seiner Stimme war anders als letzte Nacht. Er klang … kälter. »Hat dein Verstand in den Jahren deiner Gefangenschaft derart gelitten oder habe ich dich lediglich für klüger gehalten, als du tatsächlich bist?«
»Du hast mir meinen Frieden verwehrt!«, erklang ihre Stimme erneut, diesmal ebenfalls zornig. »Mein Spielzeug wirst du mir nicht nehmen!«
»Will es nicht in deinen Kopf, du verdammte Schwachsinnige?«, zischte der Unendliche bedrohlich leise. »Du bringst uns in Gefahr!«
Zoll um Zoll glitt Alexandra seitwärts. Alles in ihr schrie danach, zu fliehen. Stattdessen rückte sie, noch immer mit dem Rücken an die Wand gepresst, näher an die Hauskante heran. Die Finger ihrer linken Hand vermochten bereits die Ecke zu ertasten, als sie erneut innehielt und sich langsam herumdrehte, bis sie einen Blick auf die Gasse erhaschte. Um ein Haar wäre sie zurückgezuckt, als sie einen blonden Mann sah, der keine drei Meter entfernt stand und seinen Blick wachsam durch die Gasse schweifen ließ. Ein zweiter Mann lehnte im Schatten eines Hauseingangs. Ein Stück weiter in der Gasse stand der Unendliche. Wie die Schlange auf ein Kaninchen starrte er auf die Frau vor ihm herab. Ihr Gesicht war von einer Kapuze verhüllt, dennoch glaubte Alexandra ein Funkeln in ihren Augen zu erkennen, als sie den Blick des Unendlichen erwiderte.
»Liebster«, sie sprach noch immer mit gedämpfter Stimme, dennoch ließ sich der Irrsinn, der darin mitschwang, nicht überhören, »gerade das Wissen um diese Gefahr ist es, das mich trunken macht. Jäger und Konstabler. Das ist doch aufregend!«
Als sie dieses Mal ihr Lachen ausstieß, packte er sie bei der Kehle und presste sie an die Wand. »Treibe es nicht zu weit! Ich habe dich nicht vor dem Pfaffen gerettet, damit du hier die Aufmerksamkeit aller auf uns lenkst!«, zischte er. »Du wirst nicht –« Plötzlich ruckte sein Kopf herum. Sein Blick folgte der Gasse bis zu jener Ecke, hinter der Alexandra sich verbarg. Schnuppernd sog er die Luft ein. Ohne die Finger von der Kehle der Vampyrin zu lösen, gab er seinen Männern ein Zeichen. Die beiden machten kehrt und kamen auf sie zu. Alexandra stieß sich von der Wand ab und rannte los, die Gasse zurück, aus der sie gekommen war. In ihrem Rücken hörte sie die Schritte ihrer Verfolger, die rasch aufholten. Sie schoss um eine Ecke und hetzte weiter. Wieder eine Abzweigung. Wieder folgte sie. Plötzlich kam ihr der Weg fremd und unvertraut vor. War dies die Gasse, die zurück zur High Street führte? Ihr blieb keine Zeit, sich näher umzusehen, da die beiden Männer soeben hinter ihr um die Ecke bogen.
»Gleich haben wir sie!«
Alexandra rannte weiter. Die Anstrengung verstärkte das schmerzhafte Pochen hinter ihrer Stirn. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich in diesem Labyrinth aus Häusern, Gassen und Hinterhöfen nicht plötzlich in einer Sackgasse wiederfand. Ein Stechen fuhr durch ihre Seite und ließ sie bei jedem Atemzug zusammenzucken. Es gelang ihr nicht länger, das atemberaubende Tempo aufrechtzuerhalten. Die Ereignisse der letzten Stunden und der mangelnde Schlaf hatten sie zu sehr erschöpft. Mit jedem Schritt wurde sie ein wenig langsamer, während das Seitenstechen immer schlimmer wurde. Da sie nicht wusste, wie lange sie noch durchhalten würde, griff sie nach ihrer Pistole – und langte ins Leere. Dolch und Pistole lagen noch immer im Haus der Vampyre!
In der Hoffnung, ihre Verfolger würden einen falschen Weg einschlagen, wenn sie sie nicht mehr sahen, schoss Alexandra um zwei weitere Abzweigungen. Für einen Moment waren die Männer außer Sicht. Keuchend und um Atem ringend hielt sie inne. Nur ein kurzer Augenblick, dann würde sie weiterlaufen. Das Seitenstechen war mittlerweile so stark, dass sie kaum noch atmen konnte. Sie stützte sich an der Wand ab und rang um Luft. Plötzlich wurde sie
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