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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Close ist. Er würde Sie finden, wie auch ich Sie gefunden habe. Im Gegensatz zu mir würde er Sie töten. Nun setzen Sie sich schon!«
    Obwohl sich noch immer alles in ihr dagegen sträubte, folgte sie seiner Aufforderung und ließ sich auf einer Holzkiste vor der Wand nieder. Sie war einfach zu erschöpft, um länger stehen zu bleiben. Lucian stellte den Kerzenteller auf den Boden und legte seinen Dreispitz zur Seite. Dann zog er sich die Kiste heran und setzte sich ihr gegenüber. Der Unendliche war etliche Jahrhunderte alt. Wenn Lucian Mondragon tatsächlich sein Zwillingsbruder war, musste er ebenfalls ein Vampyr sein. Doch etwas an ihm war anders. »Sind Sie …«
    »Ein Vampyr?«, vollendete er ihre Frage. Dann nickte er.
    Da wurde ihr bewusst, was nicht stimmte. Da war kein eisiger Hauch, der sich auf sie herabsenkte, sobald er näher kam. Lediglich seine Berührung fühlte sich ein wenig kühl an. »Wo ist dann die Kälte?«
    »Ich kann die Temperatur in meiner Umgebung beeinflussen. Menschen fühlen sich dann wohler.« Einige Zeit verstrich, in der er nur dasaß und sie ansah. Diese Augen …
    »Gestern Nacht«, setzte Alexandra an. »Warum …?«
    Seine Gegenwart erfüllte sie mit derartiger Hilflosigkeit und Verwirrung, dass es ihr schwerfiel, eine vernünftige Frage zu formulieren. Was hatte er vor? Würde er seine hypnotische Macht einsetzen, um an sein Ziel zu gelangen? Aber welches Ziel sollte das sein?
    »Warum ich Sie gewarnt habe?«
    Alexandra nickte.
    »Als ich Sie im Garten von Lauriston House sah, wusste ich, dass Sie sich in Gefahr bringen würden. Deshalb bin ich Ihnen gefolgt. Während Sie durch die Tür in den Gasthof gelangten, nahm ich das Fenster.«
    »Und woher wussten Sie, welches mein Zimmer ist?«
    »Ihr Geruch haftet an allem dort.«
    Mit einem Mal war sein Blick derart intensiv, dass er schon fast bedrohlich wirkte. Alexandra wandte den Kopf ab. »Warum sollte Ihnen daran gelegen sein, mich zu warnen?«
    »Ich weiß, dass Sie meinesgleichen jagen«, erklärte er. »Und ich weiß, dass Sie alles daransetzen, meinen Bruder und mich zu töten. Aber Sie haben nicht die geringste Ahnung, worauf Sie sich einlassen. Sie wussten ja nicht einmal, dass Sie ihm mit Ihren Waffen nichts anhaben können! Sie würden geradewegs losziehen und ihn angreifen, nur um festzustellen, dass Sie nichts gegen ihn ausrichten können. Und er würde Sie töten. Das wollte ich verhindern.«
    Seinen Worten folgte eine längere Pause, in der Alexandra nicht wusste, was sie sagen sollte. Ein Vampyr wollte das Leben einer Jägerin retten. Warum? Dann, während sie noch nach den passenden Formulierungen suchte, um ihre Gedanken und Fragen zum Ausdruck zu bringen, sagte er plötzlich: »Ich hasse ihn und ich würde alles darum geben, wenn er endlich tot wäre!«
    Alexandra blinzelte. »Was?«
    »All die Jahre hat er so viel Schrecken über die Menschen gebracht …« Lucian schüttelte den Kopf. »Es ist an der Zeit, dass das ein Ende hat.«
    Ist das wirklich möglich! Wünscht er sich tatsächlich den Tod seines Bruders! Doch was war die Erklärung für seinen Hass? »Hat er Sie zum Vampyr gemacht?«
    »Nein.« Lucian schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht direkt. Wir sind in den Karpaten auf dem Hof unserer Eltern aufgewachsen. Unser Vater, Bogdan, war ein wohlhabender Händler, der in unserem Dorf über beträchtlichen Einfluss verfügte. Ein Umstand, den Andrej gerne ausnutzte. Als ich sechzehn war, prophezeite mir eine Wahrsagerin, dass ich eines Tages wegen einer Frau sterben würde. Ich war jung und hatte noch so viele Pläne. Ich wollte die Welt sehen, andere Kulturen kennenlernen. Es gab noch so vieles zu erleben, niemand sollte mir das zerstören! Deshalb hielt ich mich stets von allen Frauen fern.«
    »Aber dann sind Sie doch einer begegnet.«
    »Nein.«
    »Aber wie …? Sie sind doch …« Alexandra runzelte die Stirn.
    Für einen Moment ruhte sein Blick auf ihr, als könnten seine Augen allein alle Fragen beantworten. Dann sagte er: »Die Wahrsagerin hatte recht. Eine Frau hat mir den Tod gebracht. Wenngleich anders, als ich mir das ausgemalt habe. Wissen Sie«, fuhr er fort, »Andrej und ich waren schon immer sehr verschieden. Wir haben uns ständig gestritten – das tun wir immer noch. Ich bin wohl der Einzige, der ihn bei seinem wahren Namen nennt. Jeden anderen, der das täte, würde er töten.« Eine Spur von Bitterkeit mischte sich in seine Stimme. »Zweifelsohne würde er mich gerne umbringen.

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