Die Jaegerin
eine Falle sein! Womöglich wusste er, dass Catherine Bayne und ap Fealan nach dem Kreuz suchten, und hoffte nun, Alexandra könne ihn zu diesem Artefakt führen. Er mochte seinen Zwilling hassen, doch vielleicht war das für ihn nicht der einzige Grund, nach diesem Kreuz zu suchen. Nicht auszuschließen, dass er es in seinen Besitz bringen will, um sich selbst zu schützen. Lucian Mondragon war ein Vampyr. Wie alle anderen hatte auch er den Tod verdient. Das durfte sie nie vergessen. Bei der ersten Gelegenheit würde sie seiner Existenz ein Ende setzen!
Zweifelsohne wusste er, was sie vorhatte. Wie sollte sie verhindern, dass er ihr zuvorkam und sie zuerst tötete? Er könnte es jederzeit tun. Sie war nicht einmal bewaffnet. Nicht dass ihre Waffen etwas gegen ihn ausrichten konnten. Dennoch hätte sie das Gewicht einer Pistole oder eines Dolches in der Hand beruhigt. Lucian jedoch tat nichts Bedrohliches.
»Ich weiß, dass Sie versuchen werden mich zu töten, sobald sich Ihnen eine Gelegenheit bietet.« Ein melancholisches Lächeln streifte über seine Lippen und ließ ihn erstaunlich menschlich wirken. »Es kommt, wie es kommen muss. Sie sind mein Schicksal.«
Schicksal? War es das, was er vergangene Nacht gemeint hatte? Nacht für Nacht sehe ich Sie in meinen Träumen und ich wusste, eines Tages würden sich unsere Wege kreuzen. Ganz sicher würde sie ihn nicht danach fragen. »Diese Vampyrin im Close …«, wechselte sie das Thema. »Wer ist sie?«
»Die Ushana? Sie war die Erste, die er je umgewandelt hat. Ich weiß nicht, ob sie schon immer so war, doch sie ist zweifelsohne wahnsinnig. Sie schert sich nicht darum, was Andrej von ihr verlangt. Erstaunlich, dass er ihre Gegenwart duldet. Er hasst es sonst, wenn man sich ihm widersetzt. Es hat wohl sentimentale Gründe, dass er sie zu sich geholt hat.«
»Sind noch andere Vampyre bei ihm?«
Lucians Miene verfinsterte sich. »Ich sollte Ihnen besser keine weiteren Informationen geben.«
»Sie fürchten also doch um Ihre Existenz«, stellte Alexandra fest.
»Ich fürchte eher, Sie könnten eine Dummheit begehen«, erwiderte er kopfschüttelnd.
Alexandra fragte sich, ob ihm überhaupt bewusst war, wie widersprüchlich sein Auftreten wirkte. Einerseits wollte er ihr helfen seinen Bruder zu bekämpfen – allerdings nur, solange er nicht selbst damit in Verbindung gebracht werden konnte. Andererseits verweigerte er ihr Informationen. Ihm war deutlich anzusehen, dass er mit sich rang. Als würde er sich tatsächlich um mich sorgen. Das Gefühl war so befremdend, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie brauchte keinen Aufpasser! Und ganz sicher keinen Vampyr!
Auch ihm schien plötzlich bewusst zu werden, wie widersinnig er sich verhielt. »Ich kann mir vorstellen, wie sich das für Sie anhören muss, aber …« Er stieß einen Seufzer aus. »Andrej und ich sind, neben der Ushana, die einzigen Vampyre in Lauriston House. Er würde jeden anderen töten, der sich in seine Nähe wagt.«
Alexandra sah ihn verständnislos an. »Aber sie sind seine Kreaturen! Er hat sie erschaffen!«
»Muss ein Vater seine Kinder lieben?« Plötzlich griff er in die Tasche seines Gehrocks und zog einen kleinen Lederbeutel hervor. »Ich weiß, dass Sie vermutlich all meine Warnungen in den Wind schlagen und sich auch weiterhin in Gefahr bringen werden. Deshalb habe ich etwas für Sie. Geben Sie mir Ihre Hand.«
Nur zögernd folgte sie seiner Aufforderung. Lucian beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. Um ein Haar hätte Alexandra den Arm zurückgezogen. Es kostete sie einige Mühe, stillzuhalten und seine Berührung zu ertragen. Lucian legte ihr den Beutel in die Hand und schloss ihre Finger darum. »Das wird Sie schützen.«
»Was ist das?«
»Sie werden wissen, wann und wie Sie es verwenden müssen.«
Alexandra zog ihre Hand zurück und ließ den Lederbeutel in ihre Tasche gleiten. Eine Weile saßen sie schweigend da. Sie lehnte sich an die Wand und zog ihren Mantel enger um die Schultern. Wie spät mochte es jetzt sein? Wie lange war sie schon auf den Beinen? Ihre Aufmerksamkeit schweifte ab, sie vermochte nicht länger, sich auf einen zusammenhängenden Gedanken zu konzentrieren. Die Müdigkeit, die sie schon zuvor in der Droschke verspürt hatte, legte sich wie ein bleierner Mantel über sie. Ihre Lider wurden schwer und sanken herab. Ich muss auf der Hut sein! Wenn sie jetzt einschlief, würde er sie töten! Um mich zu töten, muss er nicht warten, bis ich
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